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Das Nokia-Headquarter im finnischen Espoo – der einstige Marktführer für Handys hat massiv an Bedeutung verloren.

Foto: AP / Lehtikuva / Mikko Stig

Wien – Nokia war einmal der Marktführer für Handys, und heute kräht kein Hahn mehr danach. Wie kann so etwas passieren? Und: Welche sind die nächsten Unternehmen, die Federn lassen werden? Wenn Markus Scholz über Wettbewerbsfähigkeit spricht, ist er in seinem Element. "Firmen sind oft blind für Veränderungsprozesse. Da hilft ihnen oft die beste Marktforschung nichts."

Scholz hat an der Fachhochschule Wien der Wirtschaftskammer Wien eine Stiftungsprofessur für Corporate Governance & Business-Ethics inne und leitet gemeinsam mit Christopher Kronenberg das Center for Strategy and Competitiveness. Erforscht wird, was Unternehmen tun können, damit ihnen solche und ähnliche Katastrophen nicht passieren. Aber Strategien zu entwickeln, um zeitgerecht auf neue Wettbewerbssituationen zu reagieren, ist gar nicht so einfach.

Denn selbstverständlich hatte auch Nokia Marktforschung betrieben, Kunden befragt und Apples iPhone genauestens analysiert. Doch die Strategen des Marktführers für Tastenhandys konnten nicht erkennen, dass Smartphones eine tatsächliche Konkurrenz für Nokia-Telefone darstellen würden. Denn wer wolle schon auf so kleinen Bildschirmen Videos ansehen und Touchscreens bedienen? Vielleicht ein Nischenmarkt für ein paar Nerds, meinte man bei Nokia.

Wenn disruptive Innovationen am Markt auftauchen, stehen Unternehmen immer vor einem Problem, meint Scholz. Denn die Routinen, mit denen man das Stammgeschäft abwickelt, sind nicht auf Veränderung ausgerichtet. "Der gesamte organisatorische Apparat will mehr vom Alten und nicht Neues produzieren." Wie aber dann am Markt reüssieren?

Risiken eingehen

Im Prinzip bliebe Unternehmen in diesem Fall oft nicht viel anderes übrig, als das Risiko einzugehen, unabhängige Geschäftseinheiten zu bilden, in denen neue Produkte oder Dienstleistungen entwickelt werden können. Dass diese dann in Konkurrenz zum Stammgeschäft stehen, liegt in der Natur der Sache. Also mehr Smartphones zu bauen, obwohl das Geschäft mit Tastenhandys gemacht wird. Oder – im Fall der Automobilindustrie – Elektroautos zu produzieren, obwohl man die Umsätze mit Dieselfahrzeugen und Benzinern macht. Doch solche strategischen Entscheidungen müssen erst einmal getroffen werden, etwa gegen Widerstand aus den eigenen Reihen und gegen Beharrungskräfte, die darin keinen Sinn sehen.

Wie aber kann man dennoch im richtigen Moment die richtigen strategischen Entscheidungen treffen? Der Schlüssel zum Erfolg: "Man muss als Unternehmen veränderungsfähiger werden." An der FH Wien erforscht Scholz in Zusammenarbeit mit dem Organisationsentwicklungsteam seiner Kollegin Christina Schweiger daher die Bedingungen, unter denen besonders kleine und mittlere Unternehmen diese Veränderungsfähigkeit als eine Grundvoraussetzung für Wettbewerbsfähigkeit erhöhen können. Und da wird es komplex. Denn eine Patentantwort gibt es nicht, und die Problemlagen sind sehr individuell. Was etwa können Familienbetriebe tun, die keine Nachfolger aus den eigenen Reihen finden, um Unternehmenswerte weiter zu tradieren und dennoch wettbewerbsfähig zu bleiben?

Was können Unternehmen tun, damit sie nicht im Tagesgeschäft strategische Entscheidungen verschlafen? Wie interne Strukturen anpassen, damit man kleinere und größere Innovationen schneller umsetzen kann?

Internationale Kooperationen

Eingebettet ist die Forschung dabei in ein internationales Netzwerk. Man verfügt über Kooperationen mit der französischen Business-School Insead, der Universität Sankt Gallen oder dem Center for Business Ethics Research an der Wharton School an der University of Pennsylvania. Zudem ist man im Microeconomics of Competitiveness Network vertreten, das weltweit über 100 führende Wirtschaftshochschulen umfasst und von der Harvard Business School geleitet wird.

Das Methodenarsenal für die Erhöhung von Veränderungsfähigkeit ist breit. Doch nicht immer sind es die großen organisatorischen Lösungen, die sinnvoll sind. "Manchmal ist schon die Einführung eines täglichen halbstündigen Meetings an Stehtischen eine Initialzündung", sagt Scholz' Kollegin Schweiger, die Unternehmen Forschungsergebnisse in Workshops weitergibt. "Denn dann ist plötzlich wieder Raum für Kreativität und Reflexion im Tagesablauf integriert." Und der Sturm der Veränderung wird frühzeitig erkannt. (Norbert Regitnig-Tillian, 13.1.2017)