Wien – Turbulent ist es am Dienstag in dem seit Anfang Oktober laufenden Prozess gegen eine angeblich mafiöse Bande zugegangen, die laut Anklage in Wien auf Schutzgelderpressungen spezialisiert gewesen sein soll. Ein 45-Jähriger, der im Vorfeld den mutmaßlichen Bandenboss Edin D. (38) alias "Edo" und zwei Mitangeklagte massiv belastet hatte, revidierte in zentralen Punkten seine ursprünglichen Angaben.

Der Mann – ein Großcousin des Hauptangeklagten – hatte in zwei polizeilichen Einvernahmen behauptet, "Edo" habe ihn zu strafbaren Handlungen nötigen wollen und selbst in der Bundeshauptstadt Drogengeschäfte abgewickelt. Auch von Lokalen, die von der Gruppierung erpresst wurden, berichtete der Zeuge den Ermittlern des Bundeskriminalamts. In Bezug auf einen Mitangeklagten gab der 45-Jährige wiederum an, dieser hätte im Auftrag von "Edo" das Auto seiner Ehefrau angezündet, um ihn damit unter Druck zu setzen. Ein weiterer Mitangeklagter habe ihn ebenfalls eingeschüchtert.

Vorwürfe zurückgezogen

Diese Vorwürfe zog der Mann nun zurück. "Ich habe Angst gehabt, dass mir jemand das Licht ausmacht. Daher habe ich solchen Blödsinn geredet, dass ich mich irgendwie sicher stelle", erklärte er im Wiener Landesgericht. Auf die Frage von Richter Michael Tolstiuk, wovor er sich gefürchtet hätte, erwiderte der Zeuge: "In erster Linie hatte ich Angst vor 'Edo'. Ich habe ihm 20.000 Euro geschuldet." "Und wovor hatten Sie da konkret Angst?", hakte Tolstiuk nach. "Schauen Sie ihn an und schauen Sie mich an", meinte der 45-Jährige unter Anspielung auf den durchtrainierten Hauptangeklagten, der seit Jahren Kampfsport betreibt und dementsprechend aussieht.

Den nunmehrigen Angaben des Zeugen zufolge soll "Edo" 2015 sein Geld mit Nachdruck zurückverlangt haben: "Ich hab' aber nicht einen Euro in der Tasche gehabt. Nicht mal Zigaretten." Deswegen soll "Edo" vorgeschlagen haben, sein früher in der Transportbranche tätiger Großcousin möge zwecks Wiedergutmachung erneut eine Firma gründen und ihm – mit welchen Geschäften auch immer – binnen drei Monaten 25 Prozent vom Gewinn ab- oder gleich 250.000 Euro in bar übergeben. Darauf sei er verängstigt zur Polizei gegangen: "Ich war sehr böse. Und vor Angst hab' ich ein bisserl dazugelogen."

Seine ursprüngliche Behauptung, "Edo" habe ihm gegenüber damit geprahlt, er habe 54 Kilogramm Marihuana nach Wien bringen und hier verkaufen lassen, sei unrichtig: "Ich hab' das Marihuana nie gesehen mit meinen Augen." Er habe etwas in diese Richtung allenfalls von einem Dritten gehört, räumte der 45-Jährige ein. Dass "Edo" ihm ein "Muster" gegeben und ihn als Verkäufer einsetzen hätte wollen, sei "auch nicht die Wahrheit". Dasselbe gelte hinsichtlich angeblich krummer Geschäfte in der Slowakei, zu denen ihn "Edo" angehalten habe: "Das stimmt nicht."

"Kein schlechtes Wort"

Noch deutlicher korrigierte der Mann seine belastenden Angaben hinsichtlich der beiden Mitangeklagten, die laut Staatsanwaltschaft für "Edo" als schlagkräftige Unterstützer aufgetreten sein sollen: "Die zwei haben nie im Leben ein schlechtes Wort gesagt. Sie haben mit der Sache nichts zu tun. Ich hab Blablabla geredet. Ich kann mich nur entschuldigen." "Nix Blablabla. Wir sitzen hier", rief einer der beiden dazwischen und spielte damit auf den Umstand an, dass er sich seit fast zehn Monaten in U-Haft befindet. "Ich habe Scheiße gebaut. Wenn ich strafbar bin, bitte, ich habe keine andere Möglichkeit. Wenn ich wegen dem von diesen zwei Leuten Watschen bekomme, kann ich nur 'Entschuldigung' sagen", gab sich der 45-Jährige zerknirscht.

Wie Staatsanwalt Filip Trebuch daraufhin darlegte, soll der Zeuge vor seinem Auftritt bei Gericht über einen Mittelsmann an einen in dieser Sache tätigen Verteidiger herangetreten sein und 100.000 Euro verlangt haben. Dann werde er "wohlwollend aussagen", so Trebuch unter Bezugnahme auf ein Gespräch mit dem betreffenden Verteidiger. Der damit konfrontierte Zeuge wies diese Darstellung vehement zurück. Der Anwalt gab dazu keine Stellungnahme ab.

Die Verhandlung wird in der kommenden Woche fortgesetzt. Insgesamt müssen sich sieben Personen vor Gericht verantworten – mit Ausnahme einer ehemaligen Kellnerin, die kurz vor Weihnachten von ihrem Rechtsvertreter Philipp Wolm freigeboxt wurde, befinden sich sämtliche Angeklagte in U-Haft. (APA, 10.1.2017)