Zahlreiche Gäste kamen ab Sonntagabend ins Trauerhaus in Teheran: Hassan Khomeini, Enkel des Revolutionsführers, küsst den Sarg von Ali Akbar Hashemi Rafsanjani. Rafsanjani hatte den Wächterrat scharf attackiert, als dieser dem Khomeini-Enkel die Kandidatur bei den Parlamentswahlen 2016 versagte.

Foto: AFP / Atta Kenareh

Der Tod von Ali Akbar Hashemi Rafsanjani kommt in einem Moment, in dem sich abzeichnet, dass die im Mai anstehenden Präsidentschaftswahlen im Iran für den Amtsinhaber Hassan Rohani vielleicht doch kein Spaziergang werden könnten. Letzteres haben ja vor allem seine Sympathisanten immer so angenommen. Die Regierung Rohani steht mit ihrem Iran-Deal für eine deeskalierende Außenpolitik – deren Vorreiter, unter noch ganz anderen Umständen kurz nach dem Tod von Revolutionsführer Khomeini 1989, Präsident Hashemi Rafsanjani war.

Aber Rohani ist den Iranern und Iranerinnen die Dividenden seines Kurses weitgehend schuldig geblieben.Die Regierung hinkt nicht nur wirtschaftlich, sondern auch bei den im Wahlkampf gegebenen Versprechungen, was persönliche Rechte und Freiheiten betrifft, hinterher. Und sie hat sich zuletzt auch noch mit jenen Teilen des konservativen Establishments angelegt, die ihr zuvor zumindest relativ neutral gegenübergestanden waren. In wenigen Tagen kommt auch noch ein US-Präsident ins Amt, unter dem es mit dem respektvollen, wenngleich harten Umgang, wie ihn die Atomverhandlungen symbolisierten, vorbei sein dürfte.

Hashemi Rafsanjani, Präsident von 1989 bis 1979, trat 2005 erneut erfolglos bei Wahlen an und wurde 2013 vom Wächterrat als Kandidat ausgeschlossen. Er warf daraufhin sein ganzes politisches Gewicht hinter Rohani, in dessen Vertretung er so manchen Strauß mit den Ultrakonservativen ausfocht. Die verbalen Aggressionen aus diesem Lager – vertreten durch die konservativen Medien – auf Rafsanjani haben immer wieder überrascht: Da war nichts von Respekt für jenen Mann zu spüren, der zum Beispiel 1989 hinter dem Aufstieg Ali Khameneis zum Nachfolger Khomeinis stand.

Großer Einfluss

Wie auch immer man zu Rafsanjani steht, er war einer der einflussreichsten iranischen Politiker der letzten Jahrzehnte. Man könne seine Bedeutung gar nicht zu hoch einschätzen, schreibt etwa der deutsche Iran-Experte Adnan Tabatabai. Das gilt völlig abgelöst davon, welchen Aspekt, welche Zeit man aus Rafsanjanis politischem Leben herausgreift: seine Rolle in der jungen Islamischen Republik während des Iran-Irak-Kriegs (mit dem der Westen das islamische Regime wieder loszuwerden hoffte, das sich aber stattdessen vielleicht gerade wegen des Kriegs konsolidierte); seine Präsidentschaft, in der die Wende zu einer professionalisierten pragmatischen Außenpolitik vollzogen wurde, unter der aber auch die brutalsten politischen Morde an Regimegegnern verübt wurden; oder eben die Zeit danach, in der er noch bis 2011 dem Expertenrat vorsaß, der in nicht allzu ferner Zukunft den Nachfolger Khameneis suchen wird.

Expertenratsmitglied (sowie Chef des nicht ganz so wichtigen Schlichtungsrats) war Rafsanjani bis zum Schluss. Aber institutionell war er natürlich nicht mehr so mächtig wie zuvor. Dennoch zeigen sich die meisten Experten davon überzeugt, dass der Machtmensch Rafsanjani entscheidend bei der Khamenei-Nachbesetzung mitgespielt hätte, dass aber auch Rohani seine Unterstützung bei der Präsidentschaftskampagne 2017 schmerzlich vermissen wird. Rafsanjani verschaffte Rohani eine schöne Portion revolutionäre Legitimation: Deshalb hassten ihn die Rohani-Gegner ja so sehr.

Laut dem österreichischen Iran-Experten Walter Posch, der an der Landesverteidigungsakademie (Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement) arbeitet, "wusste Rafsanjani wie kein anderer Interessen im Vorfeld abzugleichen und auszubalancieren und konnte mit allen Lagern gleichzeitig sprechen". Er habe noch immer großen Einfluss gehabt, "er war eben ein Tausendsassa und gehörte quasi zum Inventar der Islamischen Republik", sagte Posch dem STANDARD.

Zukunftssorgen im Iran

Im Iran ist die Betroffenheit groß: Trotz seines fortgeschrittenen Alters kam sein Tod überraschend, während iranische Medien zuletzt sogar das Thema Khamenei-Gesundheit aufgriffen (was doch heißt, dass sie unter Rohani wieder mehr Luft zum Atmen haben). Rafsanjani wurde von den Jungen bestimmt nicht geliebt, aber viele rechneten ihm seinen Einsatz für die Reformer – wobei er selbst in seiner Karriere bestimmt keiner, auch kein "Moderater" im heute gebrauchten Sinn war – hoch an. Auf Twitter wird etwa die Reaktion eines jungen Mannes zitiert: "Ich trauere nicht, aber ich sorge mich um die Zukunft."Rafsanjani hatte noch eine Qualität, die dem Iran fehlen könnte: Er war einer der wenigen iranischen Politiker, die bei allen schwerwiegenden Differenzen sogar von den Arabern respektiert wurden, etwa auch in Saudi-Arabien. Er galt als möglicher Architekt einer iranisch-saudischen Annäherung. Vielsagend ist, dass der zur herrschenden Familie gehörende Außenminister von Bahrain – das den Iran der Orchestrierung der schiitischen Unruhen in dem Inselstaat beschuldigt – nach dem Bekanntwerden des Todes Rafsanjanis sofort kondolierte. (Gudrun Harrer, 9.1.2017)