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Die Jahrhundertautobahn A3 von Salerno nach Reggio Calabria hat hunderte Brücken, Viadukte und Tunnel.

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Für Italiens Verkehrsminister Graziano Delrio ist zum Jahresende "ein Traum wahr geworden": Zusammen mit dem Chef der staatlichen Autobahnagentur Anas, Gianni Vittorio Armani, und einigen Dutzend Journalisten fuhr Delrio im Reisebus die knapp 500 Kilometer auf der ausgebauten und sanierten A3 von Salerno nach Reggio Calabria – und das, ohne wie bisher üblich durch unzählige Großbaustellen stundenlang aufgehalten zu werden oder umständliche Umleitungen über steile und kurvenreiche Nebensträßchen im kalabrischen Küstengebirge in Kauf nehmen zu müssen.

Lange war die "Salerno-Reggio" ein Albtraum gewesen – für diejenigen, die sie benützten, aber auch für die Steuerzahler: Im Lauf der Jahrzehnte dauernden Bauarbeiten haben sich die Kosten mehr als verdoppelt. Die Autobahn an die Stiefelspitze galt lange Zeit als Symbol für alle italienischen Unzulänglichkeiten: für Schlamperei, Bürokratie-Wahnsinn, nachlässige Aufsicht – und für die Infiltration der Mafia bei öffentlichen Bauaufträgen. Die Präsenz der kalabrischen 'Ndrangheta beim Bau der A3 war derart massiv, dass das Bauwerk auch sarkastisch "das längste Corpus Delicti Italiens" genannt wurde.

Mafiöse Bereicherung

Die Infiltration der Clans ist durch zahlreiche juristische Verfahren, die während der Bauzeit stattgefunden haben, bestens dokumentiert. Die 'Ndrangheta hat sich auf unterschiedlichste Weise bereichert: Entweder haben sich mafiöse Firmen direkt öffentliche Aufträge unter den Nagel gerissen. Oder sie haben saubere Unternehmen bedroht und Schutzgelder verlangt: Im Gegenzug "garantierten" die Clans die Sicherheit der Baustellen. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, haben die Clans während der Bauzeit rund dreißig Morde begangen. "Hier hat zu lange die Mafia kommandiert – ab heute ist die Autobahn ein Symbol für den sauberen Süden", betonte Minister Delrio.

Der Festakt vor Weihnachten war streng genommen keine Eröffnung oder Einweihung: Die Autobahn war bereits 1962 von der Regierung Fanfani beschlossen und trotz ihrer Länge bereits zwölf Jahre später, im Jahr 1974, dem Verkehr übergeben worden. Allerdings handelte es sich mehr um eine Schnellstraße als um eine Autobahn – und angesichts des während der Bauzeit rasant gestiegenen Verkehrsaufkommens sah sich schon die Regierung Craxi im Jahr 1987 zu einem Erweiterungsprojekt gezwungen. Die erste Regierung Prodi bewilligte 1997 weitere 6000 Milliarden Lire zur Modernisierung und Verbreiterung. Letztlich wurde in den vergangenen vierzig Jahren auf und neben der bestehenden alten Schnellstraße eine nagelneue vier- bis sechsspurige Autobahn gebaut.

190 Tunnel, 480 Viadukte

Die A3 ist ein eindrückliches Bauwerk, neben dem sich zum Beispiel die Gotthard-Autobahn in der Schweiz oder die Brennerautobahn zwischen Italien und Österreich bescheiden ausnehmen. Auf ihren knapp 500 Kilometern durch die Berge Kampaniens, der Basilikata und Kalabriens führt sie durch 190 Tunnel und über 480 Viadukte; die höchste Brücke, das "Viadotto Italia" in der Provinz Cosenza in Kalabrien, ist mit einer Höhe von 259 Metern die zweithöchste Europas. Nach dem Abschluss der Modernisierung ist sie auch eine der ersten "Smart Roads" in Europa: Sie ist auf den ersten 100 Kilometern von Salerno nach Süden bereits komplett verkabelt und mit Drahtlosinternet ausgerüstet; als erste Autobahn Italiens soll sie das autonome Fahren ermöglichen.

Ganz fertig ist die A3 freilich noch immer nicht, räumte Anas-Chef Armani ein. Zum einen sollen auch die restlichen 400 Kilometer mit Internet versehen werden; zum anderen sind noch diverse Lärmschutzwände und Sicherheitsnetze zu installieren. Auch der Unterhalt werde gelegentlich zu Baustellen führen. "Aber keinen, die den Verkehr stark beeinträchtigen werden", versicherte Armani. (Dominik Straub aus Rom, 9.1.2017)