Nach Bagdad am Samstag besuchte der türkische Außenminister Binali Yildirim auch die irakisch-kurdische Hauptstadt Erbil. Mit Kurden-Präsident Masud Barzani pflegt Ankara ein gutes Verhältnis.

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Bagdad/Ankara/Wien – Die Türkei und der Irak haben am Wochenende mit einem Besuch von Ministerpräsident Binali Yildirim in Bagdad dazu angesetzt, ihre Beziehungen zu reparieren: Anfang Oktober, just vor Beginn der Offensive gegen den "Islamischen Staat" (IS) in Mossul, hatten Ankara und Bagdad ja sogar ihre Botschafter heimgeholt, der irakische Premier Haidar al-Abadi drohte damals – wenngleich militärisch unrealistisch – mit "regionalem Krieg".

Auslöser des Zwists war die Stationierung von mehreren Hundert türkischen Soldaten in der Militärbasis bei Bashiqa nordöstlich von Mossul. Den deklarierten alleinigen Zweck – eine Trainingsmission für kurdische Peschmerga und sunnitisch-arabische Milizen für den Einsatz gegen den IS – nahmen die Iraker den Türken nicht ab, die sich ja keine Mühe machen zu verbergen, dass ihre Interessen im Nordirak über den Kampf gegen den IS hinausgehen. Das Parlament in Bagdad forderte den sofortigen Abzug der Türken, Ankara verwies auf eine Einladung der kurdischen Regionalregierung von Masud Barzani.

Keine Details zur Übereinkunft

Nun wird an einer "freundlichen Lösung" gearbeitet, sagte Yildirim am Samstag in Bagdad, Abadi sprach sogar von einem fertigen Deal. Genaue Details fehlen, das Konstrukt wird ungefähr so sein, dass die irakische Souveränität über Bashiqa offiziell festgehalten wird, aber der von den Türken genützte Teil dem Alliierten beim Kampf gegen den IS überlassen wird: Die türkische Armeepräsenz ist ja nicht die einzige ausländische im Irak, und die Türkei ist ja tatsächlich Mitglied der US-geführten Anti-IS-Koalition.

Das heißt nach dem Verständnis des Irak aber, dass mit der Vertreibung des IS aus Mossul die Erlaubnis für die Türkei erlöschen wird. Die "zweite Phase" der Mossul-Offensive, die Ende Dezember begonnen hat, verläuft offenbar erfolgreicher: Es gibt Berichte über Auflösungserscheinungen des IS, die irakische Armee hat demnach schon den Tigris, der die Stadt in zwei Hälften teilt, erreicht. Dennoch bleibt der gesamte Westteil noch einzunehmen. Der IS verstärkt seine Terrorkampagne in Bagdad.

"Andere" Terrorgruppen

Im Vorfeld des Besuchs in Bagdad betonte der türkische Vizeaußenminister Numan Kurtulmus, dass der IS nicht durch "andere Terrorgruppen" ersetzt werden dürfe: Er nannte nicht nur die türkische PKK und die syrischen Kurdenmilizen (YPG), sondern auch die vom Iran unterstützten schiitischen irakischen Volksmobilisierungskräfte (PMF), die in Tal Afar gegen den IS kämpfen, laut Kurtulmus eine "völlig turkmenische Stadt". Ein Teil der dortigen Turkmenen sind Schiiten, und Ankara wirft den PMF vor, die Sunniten zu "terrorisieren".

Am sensibelbsten für die Türkei bleibt jedoch die Anwesenheit der PKK: seit mittlerweile Jahrzehnten Anlass für türkische militärische Interventionen im Nordirak. Aber heute sitzt die PKK nicht mehr nur in ihren traditionellen Rückzugsgebieten in den Kandil-Bergen, sondern auch im Jesiden-Gebiet von Sinjar.

Sowohl Abadi als auch der kurdische Präsident Barzani, den Yildirim am Sonntag in Erbil getroffen hat, versichern den Türken, die PKK dort nicht zu wollen. Premier Nechirvan Barzani beschuldigte kürzlich die PKK, den Wiederaufbau von Sinjar und die Heimkehr der Jesiden zu verhindern.

Gespaltene Kurden

Allerdings sind nicht alle irakisch-kurdischen Parteien der PKK gegenüber so ablehnend eingestellt wie die regierende KDP von Barzani. Ihm wird von PKK-Sympathisanten Verrat an den Kurden vorgeworfen. Das macht es nicht leichter für ihn, die großen innenpolitischen und wirtschaftlichen Probleme Irakisch-Kurdistans zu lösen. Aber dazu braucht er andererseits auch wieder die Geschäfte mit der Türkei.

Die türkische Bereitschaft, mit dem Irak eine gütliche Lösung zu finden, wird zweifellos von den Problemen gefördert, die die Türkei in Syrien hat: Die Kämpfe in al-Bab gegen den IS sind schwierig und verlustreich, gegen türkisch unterstützte Kräfte wurde am Wochenende in Azaz ein schweres Attentat verübt. Weiters spielt mit, dass sich Ankara von Bagdad wünscht, dass es gegen die Gülen-Bewegung vorgeht, die auch im Irak Schulen betreibt.

Der Iran wiederum, der sich als Schutzmacht der irakischen Schiiten sieht, wird die türkisch-irakische Annäherung skeptisch beobachten, siehe Tal Afar. Aber für Teheran ist Ankara noch immer der angenehmere Schutzherr der Sunniten als Saudi-Arabien. Auffällig war jedoch, wie Expremier Nuri al-Maliki – der sein Comeback auf Kosten Abadis betreibt – jüngst in Teheran hofiert wurde. (Gudrun Harrer, 8.1.2017)