Bremerhaven – Auf einen Veränderungsprozess, der sich in Zukunft noch verstärken wird und dennoch bislang weitestgehend unerforscht geblieben ist, macht das Alfred-Wegener-Institut (AWI) aufmerksam: Da die arktischen Permafrostküsten zunehmend auftauen und erodieren, hat sich das Meer in manchen Regionen weiter als 20 Meter pro Jahr ins Land hineingefressen.

Und das hat auch für das Meer Folgen: Die abgetragenen Erdmassen trüben zunehmend die Flachwasserbereiche und setzen Nährstoffe ebenso frei wie Schadstoffe, etwa Stickstoff, Phosphor oder Quecksilber. Diese Stoffe gelangen ins Meer, werden dort weiter transportiert, abgebaut oder angereichert und verändern nachhaltig die Lebensbedingungen im Flachwasserbereich.

Kilometerlange Sedimentfahnen

Im Winter, wenn die Beaufortsee rund um die nordkanadische Permafrostinsel Herschel Island zugefroren ist, ist das Meerwasser glasklar. Im Sommer aber, wenn die Eisschollen geschmolzen sind und Sonne und Wellen an der Steilküste nagen, wird es laut dem Potsdamer Geowissenschafters Michael Fritz zu einer "trüben Brühe".

"Herschel Island verliert pro Jahr bis zu 22 Meter seiner Steilküste. Der aufgetaute Permafrostboden rutscht dann in Form von Schlammlawinen ins Meer und trübt die umgebenden Flachwasserbereiche so großflächig ein, dass die braun-grauen Sedimentfahnen viele Kilometer weit ins Meer hineinreichen", berichtet der Polarforscher.

Etwa ein Drittel der Küsten weltweit hat eine Beschaffenheit ähnlich der von Herschel Island: Es gelte also dringend herauszufinden, welche ökologischen Folgen der Prozess hat. Die AWI-Forscher rufen deshalb in der aktuellen Ausgabe von "Nature Climate Change" dazu auf, die Folgen der Küstenerosion in Zusammenarbeit von Wissenschaftern, politischen Entscheidungsträgern und nicht zuletzt den Bewohnern der betroffenen Regionen in den Fokus zu rücken. (red, 4. 1. 2017)