Horngacher-Schützling Kamil Stoch belegte im Training die Ränge zwei bzw. eins, ließ die Quali aus und trifft im K.-o.-Duell auf Stefan Kraft.

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Stefan Horngacher hält die Fahne hoch.

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Innsbruck – "Erhofft hab' ich das. Erträumt hab' ich das. Aber erwartet hab' ich das nicht." Stefan Horngacher steht am Fuße des Bergisels, er blickt hinauf und voraus und sieht Wolken mit Schnee aufziehen, der am Mittwoch (14, ORF 1) über die dritte der vier Schanzen kommen könnte. Was der Tiroler, seit März Cheftrainer in Polen, nicht erwartet hat, ist eine polnische Halbzeitführung. Kamil Stoch stößt sich mit 0,8 Punkten Vorsprung auf den Salzburger Stefan Kraft ab, der seinerseits 5,8 Punkte vor Norwegens Daniel Andre Tande liegt.

Einer aus diesem Trio dürfte nach dem Dreikönigsspringen in Bischofshofen als Tourneesieger dastehen. In der Innsbrucker Qualifikation am Dienstag lag Kraft vor den Polen Maciej Kot und Piotr Zyla voran. Stoch hatte die Quali ausgelassen, er trifft am Mittwoch im K.-o.-Duell auf Kraft.

Der 29-Jährige aus Zakopane, 1,73 Meter groß und 52 Kilogramm schwer, hat 2014 in Sotschi beide Olympiatitel geholt, damit gleich doppelt vollbracht, was seinem Vorgänger, dem großen Adam Malysz, der nun als Sportdirektor fungiert, stets versagt geblieben war. Andererseits war Stoch danach abgestürzt und in Selbstzweifeln gelandet, was die Polen zum Anlass nahmen, Cheftrainer Lukasz Kruczek durch Horngacher zu ersetzen. Mit dem 47-jährigen Wörgler kam die Wende, nicht von ungefähr.

Horngacher, als Springer zweimal Teamweltmeister (1991, 2001), war in Polen von 2004 bis 2006 schon Assistent des damaligen polnischen und heutigen ÖSV-Cheftrainers Heinz Kuttin gewesen. Damals hatte Horngacher bereits Leute wie Stoch und Zyla unter seinen Fittichen. Zyla liegt derzeit auf Tourneeplatz sechs, und mit Kot (8.) rangiert ein dritter Mann in den Top 10. Anfang Dezember hatten die Polen in Lillehammer ihren ersten Weltcup-Teamsieg überhaupt gefeiert.

Kein Wunder, dass auf Horngacher polnische Loblieder gesungen werden. "Skispringen ist in Polen die Sportart Nummer eins", sagt er dem Standard mit leicht subjektivem Blick, "vor Fußball". Von den Lobliedern bekommt der Österreicher so oder so nicht viel mit. Sein Polnisch sei "weit weg von perfekt", außerdem ist Horngacher nach wie vor in Titisee-Neustadt im Hochschwarzwald daheim. Dort lebt seine Familie, gehen die zwei Kinder in die Schule. Horngacher hat ab 2006 zehn Jahre lang deutsche Springer gecoacht, zuletzt war er Assistent von DSV-Cheftrainer Werner Schuster. "Nur wegen des Jobs wollte ich die Familie nicht aus dem Umfeld herausreißen."

Vertrag bis 2018

So bekommt Horngacher auch von politischen Entwicklungen in Polen wenig mit, "das stört mich nicht". Früher oder später könnte es sein, dass die Erfolge der Springer politisch vereinnahmt werden, schließlich werden die Skisportler auch mit öffentlichen Geldern gefördert. "Ähnlich wie in Österreich", sagt Horngacher, dessen Vertrag bis 2018 läuft, also auch Olympia in Pyeongchang (Südkorea) einschließt.

Polen ist Horngacher seit 16. Jänner 1999 verbunden, da feierte er in Zakopane einen seiner zwei Weltcupsiege. "Viele fanatische Zuseher, viel Rot und Weiß, fast wie in Österreich. Ein komischer Bewerb mit wenig Anlauf, ich bin aber weit gesprungen."

Ein Kapazunder wie Stoch, der neben zwei Olympiatiteln auch einmal WM-Gold und 16 Weltcupbewerbe gewann, war Horngacher nie. Allerdings auch kein großer Zweifler. "Kamil war oft nur zufrieden, wenn er gewonnen hatte", sagt Horngacher. "Er konnte nicht mit Niederlagen umgehen." Hier setzte der Trainer den Hebel an. "Ich hab' ihm gesagt, dass er ein Großer ist, aber Basisarbeit machen muss. Ohne Basisarbeit geht gar nichts." Horngacher gilt als Leader mit Allroundqualitäten. Er hat unzählige Skier gewachselt, unzählige Anzüge genäht. "Zehn Jahre lang war ich mit der Nähmaschine unterwegs, jetzt ist sie erstmals daheim geblieben."

Polnische Skispringer, sagt Horngacher, sind eigen. Zum Beispiel "ziemlich katholisch. Das kommt schon vor, dass sie vor einem Wettkampf in die Kirche gehen." Das stört den Tiroler ebenso wenig wie die Tatsache, "dass sie ganz genau das machen, was ihnen vorgegeben wird. Sie sind extrem fixiert auf den Trainer." Stefan Horngacher, der Trainer, steht am Fuße des Bergisels und sagt, dass er nicht an die Tournee, sondern nur an das Springen in Innsbruck denkt. Erwartungen sind da, über Träume und Hoffnungen kann man später reden. (Fritz Neumann, 3.1.2017)