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Gegenmaßnahmen gegen Fake-News, etwa auf Facebook, sind notwendig – ihre Treffsicherheit ist jedoch fraglich.

Foto: ap/Matt Rourke

Was tun mit "Fake-News": ignorieren, entlarven oder vielleicht gleich als Desinformation verbieten? Vor allem was sind "Fake-News" – verdienen sich alle Falschmeldungen unterschiedslos die gleiche Reaktion? Vom Grubenhund – dem König der qualifizierten Falschmeldung – bis hin zur Satire? Was ist mit denjenigen, die diese Nachrichten erfinden und weiterverbreiten?

Wer behauptet, er habe gestern im Supermarkt Elvis getroffen, seine Tante sei von Außerirdischen entführt und geklont worden oder die Leiche der Großmutter eines Freundes sei aus unerklärlichen Umständen plötzlich verschwunden, ist harmlos. Dem Erzähler geht es darum, Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Die gesellschaftspolitische Bedeutung ist Null. Anders verhält es sich mit Geschichten, die behaupten, man wisse aus sicherer Quelle, Supermärkte würden durch marodierende Flüchtlinge ausgeraubt oder ein zur Wahl stehender Politiker sei schwer erkrankt. Hier geht es nicht nur darum, mit angeblichem Insider-Wissen zu prahlen, sondern durch Vorspiegelung von Fakten Meinungen zu verbreiten, zu politischem Handeln aufzufordern – und möglicherweise auch andere Profite zu erzielen.

Geschäftsmodell Fake-News

Einer, der sich dazu in einem Interview mit der "Washington Post" bekannt hat, ist Paul Horner. Zahlreiche seiner Fake-News seien zwar satirisch gemeint gewesen, seien aber jedenfalls von vielen geglaubt worden – etwa, dass Muslime, gehe es nach Trump, sich künftig durch Buttons in der Öffentlichkeit kennzeichnen müssten. Links zu dieser und ähnlichen Behauptungen seien vor allem von den Republikanern in Sozialen Medien zustimmend geteilt worden und hätten ihm erhöhte Klickraten und dadurch erhöhte Werbeeinnahmen gebracht. ("Right now I make like $ 10,000 a month from AdSense.")

Um breit geteilte und gesellschaftlich nachteilige Falschmeldungen zu verbreiten, braucht es freilich nicht das Internet, nicht einmal klassische Massenmedien. Am Beginn des 14. Jahrhunderts kam es in zahlreichen österreichischen Gemeinden zu Pogromen wegen "Hostienfrevels" (vgl. K. Schubert: Die Geschichte des österreichischen Judentums). Lokale Honoratioren unterstellten den Juden, sich geweihter Hostien bemächtigt zu haben, um diese dann zu "martern". Neben der Hoffnung, durch diese Geschichte zu einem prosperierenden Wallfahrtsort zu werden (zum Beispiel Korneuburg), mag wohl auch der Wunsch nach außerkatholischer Bestätigung der Transsubstantiationslehre eine Rolle gespielt haben. (Wenn die "Christusfeinde" sich an Hostien ausleben, dann muss die Verwandlung in den Leib Gottes wohl stimmen.)

Pseudoinformationen, die die "Welt erklären"

Die Grundlagen asozialer Gerüchte – und ihre Gefährlichkeit – lassen sich an diesen beiden Beispielen gut illustrieren: 1. Jemand, als Autor im Hintergrund bleibend, verfertigt eine Tatsachenbehauptung, die ihm ökonomischen und/oder ideologischen Gewinn bringt. 2. Diese Information wird von anderen Personen deswegen gerne akzeptiert, weil sie vorhandenen Hoffnungen, Befürchtungen, Weltbildern entspricht und diese zu bestätigen scheint. 3. Je größer kollektive Unsicherheiten auch Teile der Lebenswirklichkeiten sind, um so weiter und schneller werden diese Pseudoinformationen verbreitet, da sie die "Welt erklären". Und um so höher ist auch der Prestigegewinn in der gegebenen Gruppe für das Weiterverbreiten beziehungsweise "Teilen". 4. Je stärker Fake-News soziale Wirklichkeiten schaffen, weil sie nicht überprüft werden oder können, um so wirkmächtiger und gesellschaftlich problematischer werden sie.

Diese Kriterien unterscheiden auch die harmlosen "Hoaxes" – wie zum Beispiel Elvis lebt – von den asozialen Fakes.

Gegenmaßnahmen sind ebenso notwendig, wie ihre Treffsicherheit fraglich ist.

Strafgesetze gegen "Desinformation" (jenseits der Tatbestände der Verleumdung, Verhetzung, Wiederbetätigung) sind demokratisch bedenklich und soweit bekannt ist, in den meisten Fällen weder anwendbar noch zielführend.

Informations-Ethik scheint nur dort zu greifen, wo professionelle Medien diese als Verantwortung übernehmen wollen: Jeweilige Fake-News zum Thema machen; Klarstellungen anbieten; dem wirtschaftlichen Interesse an hohen Klickzahlen hervorgerufen durch Sensationalismus (Clickbaiting) widerstehen.

Ethik der Plattform-Eigner. Sie könnten in die Pflicht genommen werden, nachweislich schädigende Informationen zu löschen. Die großen internationalen Player denken (beeinflusst von sozialen und politischen Stakeholdern) jedenfalls darüber nach, wie bekannte Fake-Seiten von Werbeeinnahmen ausgeschlossen werden können.

Wenn, wie unterstellt werden muss, die Glaubwürdigkeit von Fake-News mit weit reichenden Informationsdefiziten zusammenhängt (Beispiel Flüchtlinge), kann dies nur heißen, dass eine bessere und transparentere Informationspolitik in der Lage ist, Wirkungen von gestreuten Gerüchten zu verringern.

Forschungsdefizite aufholen: Letztlich wissen wir alle noch zu wenig über die Entstehung von Fake-News: Welche Institutionen, Medien, Gruppierungen kreieren Fake-News beziehungsweise greifen sie (möglicherweise auch in gutem Glauben) auf und machen sie erst dadurch bedeutsam? (Roman Hummel, Gerit Götzenbrucker 4.1.2016)