Washington – Erhält man ein Geschenk, kann dies zwei Reaktionen auslösen: Die sozial erwünschte, nämlich dass man dankbar ist und sich freut. Oder eher ein Gefühl der Belastung, weil man sich nun verpflichtet fühlt, mit etwas von ähnlichem Wert "zurückzuschlagen" – Weihnachten kann so unter Umständen zum reinsten Strategiespiel ausarten. Freude macht das Schenken und Beschenktwerden auf diese Weise jedenfalls nicht.

Psychologen der privaten American University in Washington haben sich der Frage gewidmet, welche Faktoren die Dankbarkeit nach erwiesener Großzügigkeit verringern könnten. Zentrale Bedeutung schreibt das Team um Anthony Ahrens dem Bedürfnis nach Unabhängigkeit zu: Dieses führe dazu, dass man Dankbarkeit eher als Zeichen der Schwäche wahrnehme.

Potenzielles Problem für Beziehungen

Für ihre Metastudie gingen die Forscher die Daten von drei psychologischen Experimenten mit über 500 Teilnehmern durch. Wie ein roter Faden zog sich dabei der Umstand durch, dass Personen, die als stark nach Unabhängigkeit strebend eingestuft wurden, mit der Dankbarkeit ihre Probleme haben. Sie empfanden weniger Dankbarkeit und schrieben dieser auch weniger Bedeutung zu.

An einer solchen Haltung findet Ahrens nichts per se Verwerfliches. Er wirft aber die Frage auf, ob sie nicht ein Problem für soziale Bindungen sein könnte. Eines der drei für die Metastudie herangezogenen Experimente hatte nämlich auch eine Verbindung zur Fähigkeit, Mitgefühl zu zeigen, hergestellt. Und wie schon bei der Dankbarkeit ließen es die auf Autonomie bedachten Probanden auch an der Bereitschaft zur Unterstützung anderer missen. (red, 9. 1. 2017)