Vom ägyptischen Urlaubsort Sharm el-Sheikh aus gelangt man in kurzer Zeit zu den Inseln Tiran (Hintergrund) und Sanafir.

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Morgens um neun fahren sie im Hafen von Sharm el-Sheikh fast alle zur gleichen Zeit los: die Ausflugsboote mit Ziel Tiran. "Diese Region ist sehr beliebt bei Tauchern, Schnorchlern und Schwimmern, weil sie nicht im offenen Meer liegt", sagt Tourguide Ahmed. Die Fahrt geht einige Kilometer entlang der Küste. Bald taucht aus dem Morgendunst der kahle, langgezogene Felsenhügel auf. Aus einiger Entfernung entsteht der Eindruck, die Insel Tiran sei die natürliche Fortsetzung des Festlandes. Tatsächlich wird sie durch die Wasserstraße mit dem gleichen Namen von der Sinai-Halbinsel getrennt.

An einer besonders seichten Stelle liegt eine der größten Attraktionen, das Wrack des deutschen Frachters MS Maria Schröder. Bei einem Sturm lief das Frachtschiff im April 1956 auf Grund, und seither rostet es vor sich hin. In unmittelbarer Nähe liegt das Gordon-Riff, eines der vier Riffe entlang der Tiran-Insel. Es ist äußerst beliebt, weil es nur geringfügig unter der Wasseroberfläche liegt und die Korallengärten auch für Ungeübte leicht zu erkunden sind. Sogar Menschen, die nicht schwimmen können, werden von den Tauchlehrern ins Schlepptau eines Rettungsringes genommen, um die Schönheiten zu bestaunen.

Spezielle Bewilligung notwendig

Nur ein paar Meter weiter beginnen einige der Tauchgebiete. Aber um dort zu ankern, brauche man eine spezielle Bewilligung der Sicherheitsbehörden, erklärt Fadi, der junge Kapitän des Ausflugsbootes. Von weitem sind einige kleine Gebäude auszumachen. Das 80 Quadratkilometer große Eiland ist aber unbewohnt, ohne Vegetation, ohne Wasser. Nur ein paar Dutzend ägyptische Soldaten schieben Wache, und Beobachter der multinationalen Kräfte unterhalten einen Posten, um die Einhaltung des ägyptisch-israelischen Friedensvertrages von 1978 zu überwachen.

Tiran und die Schwesterinsel Sanafir gehören zum 600 Quadratkilometer großen Naturschutzgebiet Al-Naqb Bay, das mit Sanddünen und Mangrovenwäldern Heimat für unzählige, zum Teil seltene Tiere und Pflanzen ist. In seinen Gewässern gibt es über 200 verschiedene Korallen- und 400 Fischarten. Die Inseln liegen an der engsten Stelle der Straße von Tiran, dem Tor zum Golf von Aqaba. Durch dieses Nadelöhr führt der einzige Zugang zum israelischen Hafen von Eilat.

Politischer Spielball

Seit April 2016 sind die beiden Felsinseln Spielball eines ägyptisch-saudischen Interessenausgleichs. Da hatten Präsident Abdelfattah al-Sisi und König Salam ein neues Abkommen zur Demarkation der gemeinsamen Seegrenze unterzeichnet, das die beiden Inseln Saudi-Arabien zusprach. Riad hat Pläne, an dieser Stelle eine Landverbindung zwischen den beiden Staaten zu schaffen. Der Vertrag führte in Ägypten zu Protesten vor allem von jungen Leuten und zu mehreren Gerichtsprozessen. Erst vor wenigen Tagen legte die Regierung den Plan auch dem Parlament vor.

Die völkerrechtliche Lage ist unübersichtlich. Jede Partei – das heißt die ägyptische Regierung und die klagenden ägyptischen Anwälte – kann historische Karten beibringen, die ihre Version untermauern sollen. Klar ist, dass Ägypten in den letzten Jahrzehnten für die Verteidigung der strategisch wichtigen Inseln zuständig war. Kairo beteuert aber, sie hätten völkerrechtlich immer zum saudischen Staatsgebiet gehört.

Tiran und Sanafir waren im Rahmen der Nahostkriege von Israel besetzt und 1982 wieder freigegeben und zum entmilitarisierten Gebiet erklärt worden. Sie sind Bestandteil des ägyptisch-israelischen Friedensabkommens, und ihre Rückgabe an Saudi-Arabien hätte auch internationale Komplikationen zur Folge.

Gerichtstermin Mitte Jänner

Das Verwaltungsgericht hat einen Rekurs der Regierung gegen das erstinstanzliche Urteil abgelehnt. Diese hatte das Abkommen mit Saudi-Arabien für ungültig erklärt. Für Mitte Jänner ist ein weiterer Gerichtstermin angesetzt.

Mit der Einschaltung des Parlaments ist die Lage noch verworrener geworden. Unklar ist, welche Instanz das letzte Wort haben wird. Es werde nach einer gesichtswahrenden Lösung gesucht, zeigte sich ein ausländischer Diplomat in Kairo überzeugt. Die Inseln sind eines von mehreren Dossiers, die die Beziehungen zwischen Kairo und Riad belasten.

Die Unsicherheit über die Zukunft des Taucherparadieses wird deshalb andauern. In einer Zeit, in der der ägyptische Tourismus ohnehin in einer Krise steckt, sind das keine guten Aussichten. Die Betroffenen in Sharm el-Sheikh, die solche Touren organisieren, sind extrem zurückhaltend, gehen aber unbeirrt ihren Geschäften nach. Offene Kritik an der Regierung wollen sie nicht üben. Sie klammern sich an die Hoffnung, dass ihre Schiffe noch länger jeden Morgen ausfahren können, vielleicht sogar einmal in saudische Hoheitsgewässer. (Astrid Frefel, Straße von Tiran, 3.1.2017)