Mobben Kollegen einen anderen, wird das als "Staffing" bezeichnet. Setzen Chefs ihre Mitarbeiter systematisch über einen längeren Zeitraum unter Druck, sprechen Fachleute vom "Bossing".

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Betroffene sollen sich schnellstmöglich Unterstützung suchen, sagt die Mobbing-Expertin Elisabeth Knizak. "Den Kopf in den Sand zu stecken bringt nichts." Ansprechpartner im Betrieb könnten Kollegen sein, der nächste Vorgesetzte oder der Betriebsrat. "In vielen Firmen gibt es auch eigene Mobbing-Beauftragte."

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Ein "Hier werden Sie nicht lange bleiben", leise zugeraunt auf dem Gang. Fehler zu Unrecht angehängt bekommen. Kollegen und Kolleginnen, die sich distanzieren, einen ignorieren, schließlich mitsticheln. Erfahrungen wie diese lösen etwas aus: Kopfschmerzen, Gedankenkreise, Ängste. Sie verursachen Selbstzweifel, Hilflosigkeit und Nächte ohne Schlaf. Bei Erfahrungen wie diesen handelt es sich oft um Mobbing.

Laut der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sind europaweit in etwa zwölf Millionen Menschen von Mobbing betroffen. Viele stehen dem Phänomen hilflos gegenüber. Für sie hat Holger Wyrwa, Psychotherapeut und Coach, ein Buch geschrieben: "Mobbing – nicht mit mir" (Goldmann-Verlag, 2016). Darin definiert er das Phänomen – nach dem Englischen "to mob" für "anpöbeln, attackieren" – und grenzt es von alltäglichen Konflikten ab.

Mobbing, schreibt der Autor, bestehe aus "systematischen zerstörerischen Handlungen". Es sei stets zielgerichtet und betreffe Einzelpersonen. Um Mobbing genannt zu werden, müsse der Psychoterror über einen längeren Zeitraum andauern. Es gehe um Macht, darum, andere auszugrenzen. Außerdem beschreibt Wyrwa Mobbing als einen "Akt der Gewalt": "Die Täterinnen und Täter wollen die Psyche ihrer Opfer zerstören."

Wie man sich wehrt

Die Mobbing-Methoden sind vielfältig. Sie reichen vom Abwerten und dem Vorenthalten von Informationen über Sticheleien bis hin zu Beleidigungen und dem Verbreiten von Gerüchten. "Mobbing ist Krieg", schreibt Wyrwa. Und dieser Krieg spiele sich zunehmend auch im Internet ab, Stichwort Cybermobbing.

Die Kündigung scheint die schnellste und radikalste Strategie gegen Mobbing, berge allerdings ein Risiko: Manche würden sich "nie von dem Gedanken befreien können, dass sie aufgegeben haben. Sie werden immer wieder darüber nachdenken, ob es nicht doch eine Alternative gegeben hätte", sagt Wyrwa. "Andere werden nie die Verluste überwinden können, die ihnen das Mobbing gebracht hat." Das tief sitzende Misstrauen könne außerdem am neuen Arbeitsplatz dazu führen, wieder zum Mobbing-Ziel zu werden, so der Autor.

Wer sich dazu entscheide, in der Firma zu bleiben, solle zum Gegenschlag ("Notwehr-Mobbing") ansetzen. Das bedeute, den Mobber, das Unternehmen durch verschiedene Strategien wie Täuschung oder Verunsicherung unter Druck zu bringen.

Für Elisabeth Knizak, Leiterin der Mobbing-Beratungsstelle Work & People, ist dies keine geeignete Maßnahme: "Versuchen Sie immer auf der sauberen Seite zu bleiben", rät die Psychotherapeutin. "Patentrezepte" für das Vorgehen gegen Mobbing will Knizak nicht geben, aber dennoch einige Tipps. Etwa, dass sich Betroffene schnellstmöglich Unterstützung suchen sollten. "Den Kopf in den Sand zu stecken bringt nichts." Ansprechpartner im Betrieb könnten Kollegen sein, der nächste Vorgesetzte oder der Betriebsrat. "In vielen Firmen gibt es auch eigene Mobbing-Beauftragte."

Hilfe holen, Grenzen setzen

Keinesfalls dürfe man sich schämen, Opfer von Mobbing geworden zu sein, sagt Knizak: "Denn es kann jeden treffen." Der gute Rat: sich nicht aus Aktivitäten zurückzuziehen, nicht in die Isolation drängen zu lassen. Im Gegenteil, man solle aktiv auf Kollegen zugehen – "damit nicht der Eindruck erweckt wird: Die Person will ja gar nicht kommunizieren." Pflege man Kontakte, könnten diese einem nicht weggenommen werden, sagt Knizak.

Komme man alleine nicht weiter, solle man sich professionelle Hilfe holen, bei Beratungsstellen, Therapeuten oder Coachs. "Wer verletzt, traurig und irritiert ist, kann oft nicht klar denken. Er sieht den sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht mehr", so die Expertin im Gespräch mit dem STANDARD. Psychologen könnten einem helfen, das Gefühl der Ohnmacht zu überwinden und Handlungsmöglichkeiten aufzeigen: "Zurückreden, sich die Ohren zuhalten, in den Krankenstand gehen." Auch juristische Beratung sei sinnvoll.

Essenziell sei zudem, dem Mobber Grenzen zu setzen, "ihm klarzumachen, dass es so nicht geht", sagt Knizak. Ein Mobbing-Tagebuch helfe, den Überblick zu behalten, und liefere schlimmstenfalls auch eine Beweismöglichkeit vor Gericht. Wann man kündigen sollte? "Wenn man sieht, dass sich nichts ändert. Oder die Situation sich sogar verschärft." (Lisa Breit, 5.1.2017)