Der Jahreswechsel bietet einen guten Anlass für einen Rückblick. Ein enger Verwandter des Rückblicks ist der Vorsatz.

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Wenn man nicht gerade im Lotto gewonnen, die Liebe fürs Leben gefunden oder Alexander Van der Bellen gewählt hat, war 2016 ein Scheißjahr. Die obligatorischen Jahresrückblicke verdichten diesen Eindruck: TrumpBowieNizzaPrinceSyrienPutinBerlinSowahrmirGotthelfe und so weiter. Rückblicke kennt jeder, da zieht man noch einmal Resümee, memoriert die schönsten (welche?) und die schlimmsten (wo soll ich anfangen?) Momente des Jahres und hofft, dass es im nächsten besser wird: Lotto, Liebe, Bowies Wiederauferstehung ...

Der Jahreswechsel bietet dazu einen guten Anlass, doch stellt sich mit der größer werdenden Anzahl der Rückblicke eine gewisse Routine bezüglich deren Erkenntnissen ein: Rückblickend muss man sagen, man hätte vorausschauender handeln sollen. So lautet eine gängige wie unangenehme Einsicht, aber wer will schon beständig den Hals verdrehen, nur um sein Versagen noch einmal zu betrachten.

Nicht jeder ist mit dem Talent des Masochismus gesegnet, wir Unbegabten haben uns selber viel zu lieb. Zu viel Rückgrat macht Rückenschmerzen, fragen Sie bei (hier den Namen eines/-r Politiker/-in Ihrer Wahl einsetzen) nach.

Ein enger Verwandter des Rückblicks ist der Vorsatz, auf den folgt gern ein Nachsatz. Ein Vorsatz wird oft euphorisch formuliert, vor allem wenn er im Zustand ungewohnter Restnüchternheit entsteht. Doch unserer auf der ganzen Welt geliebten Mentalität entsprechend sind wir mit uns ja großzügig: "Im nächsten Jahr werde ich weniger fressen und saufen und mich mehr bewegen. Nachsatz: "wenn's leicht geht." Außerdem müssen wir uns ja ernähren, sonst stünde die Moral an gar prominenter Stelle, Gott bewahre.

Beliebt sind Rückblicke in der Kunst. Dort heißen sie Retrospektive und sind oft ein Indiz dafür, dass jemand seine Zukunft schon hinter sich hat. Übertrieben werden solche Blicke zurück von den Retrowellen. Sie bescheren überwunden geglaubten Irrtümern eine zweite Chance. Das irritiert. Denn es führt vor Augen, dass wir ein jämmerliches Dasein führen, dessen Gezeiten Glocken- und Röhrenhosen heißen. (Karl Fluch, 1.1.2017)