Liebeswirren in Algier: Lindoro (Yosuke Kobori), Mustafà (Giovanni Battista Parodi), Taddeo (Oliviero Giorgiutti) und Isabella (Aurora Faggioli).

Enrico Na / Festspiele

Erl – Gioacchino Rossinis Italienerin in Algier ist ein leichtes, sommerliches Stück mit reichlich musikalischem und szenischem Witz. Die Erler Winterfestspiele zeigen den Publikumshit nun als bunte Revue mit ein paar kleinen Verschärfungen. Kaum hat man im Zuschauerraum Platz genommen, sieht man die zackigen Formen und Kurven des Foyers schon wieder, nachgebaut auf der Bühne (Ausstattung Jan Hax Halama). Durch große Fenster schaut man, nein, nicht auf die Erler Bergwelt, sondern tatsächlich auf die Hafenstadt Algier mit ihren endlosen Häuserzeilen. Erst scheint die Sonne, dann wird es Nacht, und die Silhouette wird durch beleuchtete Fensterchen bereichert, später dämmert es.

Was nun all diese Leute hier zu suchen haben – ein Airline-Kapitän, Strandschönheiten mit Schwimmwesten, bunt kostümiertes Volk – erschließt sich zunächst nicht so recht. Doch man erlebt dann in der Regie Wolfgang Bertholds einen überwiegend witzigen und unterhaltsamen Abend.

Dem in Algier herrschenden Mustafà ist trotz umfangreichen Harems langweilig, ihn reizt das Neue, Exotische. Und das ist Italien, genauer, eine Italienerin mit viel Power und Weiblichkeit. Mustafàs Hauptfrau Elvira findet dies nicht gerade witzig und unternimmt alles, ihren Pascha an sich zu ketten. Das wird ihr am Ende auch gelingen, doch vorher landet ein supersüßes Mädel voller Italianità in Algier – als Schiffbrüchige.

Hinein ins Liebesglück

Isabella war auf der Suche nach Lindoro, ihrem verschollenen Geliebten. Den findet sie jetzt als Sklaven am Hofe Mustafàs – so etwas kann passieren in einer typischen Opera buffa à la Rossini. Der Herrscher muss noch einige, teils pikante Ereignisse miterleben, bevor die Sache gut wird. Er findet schlussendlich Elvira doch nicht so schlecht, und die übrigen Protagonisten ziehen ihres Wegs und vermutlich mitten hinein ins Liebesglück.

Yosuke Kobori gibt den Lindoro als Putzmann, mit seinen Reinigungsgerätschaften hantiert er allerdings eher ungeschickt, und auch die ersten, schwierigen Koloraturen verrutschen etwas. Doch kaum taucht Isabella auf, singt er plötzlich wie ein Gott. Aurora Faggioli strahlt mit ihm um die Wette, ihre Isabella hat Kraft, Witz und dazu viel erotisches Timbre. Auch sonst sind da mehrere erlesene Stimmen versammelt. Wie Lindoro braucht auch Giovanni B. Parodi als Mustafà ein Weilchen, um dann umso größeren Eindruck zu hinterlassen.

Gustav Kuhns Herzenswunsch, Erl zum Rossini-Mekka zu machen, ist mit dieser Produktion aufgegangen. Er selbst hatte im letzten Jahr den Barbier von Sevilla leider völlig in den Sand gesetzt und die Geschichte als platte Casting-Show in Szene gesetzt. Wolfgang Bertholds Arbeit überzeugt auch durch eine im Laufe des Abends immer vielschichtigere Personenführung. Es bleibt Raum für Doppelbödigkeiten.

Chor und Orchester der Festspiele boten unter dem Dirigat Gustav Kuhns eine Meisterleistung, wobei Kuhn zwar oft und gern dem Affen musikalisch Zucker gibt, dabei jedoch stets die Übersicht und Kontrolle behält.

Eine Frage bleibt: warum Kuhn im Graben ein paar recht laute Pauken und Trompeten positioniert hat. So spielt man Rossini heutzutage eigentlich nicht mehr. Was wiederum nur ein begrenzt gültiges Argument ist, denn die Sache klingt irgendwie doch toll. Und außerdem ist ja immer noch Weihnachtszeit. (Jörn Florian Fuchs, 27.12.2016)