Unsere digitale Identität hat viele Aspekte. Während man bei dem Begriff gemeinhin wohl an Profile bei Facebook, Instagram, Twitter und Co. denken mag, gibt es aber auch andere alltägliche Bestandteile, die sie ausmachen.
Etwa der Name unserer Drahtlosnetzwerke. Sie sind in gewisser Weise wie ein "digitales T-Shirt", erklärt Kommunikationsforscherin Amber Burton gegenüber dem Guardian. Beispielsweise wie eines mit provokativer Aufschrift, die man als Jugendlicher mit sich herumtrug, um dem eigenen Umfeld Reaktionen zu entlocken. WLAN-Namen sind "eingewoben in den Stoff, mit dem wir uns präsentieren", so Burton.
Normalisierungswerkzeug
Wir kommunizieren mit der Betitelung unserer kabellosen Verbindung aber nicht nur etwas über uns, wir verlangen auch von anderen, sich dem zu fügen. "Ungewöhnliche Namen vergrößern die Reichweite der Agenda des Besitzers und er Empfänger muss sich damit abfinden", meint die Forscherin. Als Beispiel dient etwa der rassistische Name eines WLANs bei einer Alt-Right-Veranstaltung an der Texas A&M University.
Die Benennung soll nicht nur schockieren, sondern trägt auch durch die erzwungene Zustimmung für alle, die auf diese Verbindung angewiesen sind, zu einer Normalisierung solcher Begriffe bei.
Dennis ist (k)ein Arschloch
Einen weiteren Einblick in die bunte Welt der WLAN-Namen gibt das Berlin Wi-Fi Project, eine Karte der deutschen Hauptstadt, die um die Namen vieler Drahtlosnetzwerke an deren ungefährem Standort angereichert ist. Das Projekt von Frederico Meals zeigt verschiedene Interaktionsformen auf.
So gibt es etwa an einem Ort das WLAN "Dennis ist ein Arschloch", als auch den entgegnend gemeinten Namen "Dennis ist kein Arschloch". In Meals eigener Nachbarschaft implizieren die WLAN-Namen "NutellaMann" und "NutellaFrau" möglicherweise eine platonische Drahtlos-Romanze.
Nachbarschaftsdramen
Manchmal geben die Namen auch einen sehr konkreten Einblick in nachbarschaftliche Verhältnisse. "Bitte spiel nicht so laut Violine" ist dabei ebenso deutlich verständlich wie "Eure Kinder sind scheiße". Ob die jeweiligen Empfänger die Nachricht mitbekommen, ist freilich unklar.
Meals und Interessenten der Karte versuchen, die tiefere Bedeutung mancher Namen zu entschlüsseln. Und sind dabei auch schon fündig geworden. Das Netzwerk "Princess Anabell" entpuppte sich etwa als Hommage an eine einst in der Tschechoslowakei ausgestrahlte Zeichentrickserie.
Betrugswerkzeug
Als Manipulationsmittel kann ein WLAN-Name aber auch wenig Schmeichelhaftes über die verantwortliche Person aussagen. Sicherheitsexperten raten etwa davon ab, sich unbedacht mit einem offenen Netzwerk zu verbinden. Denn mitunter spannen Cyberkriminelle WLANs mit einem Namen, der den Eindruck erwecken soll, als würde hier ein Unternehmen Besuchern freien Internetzugang gewähren. Sie überwachen dann den Datenverkehr und versuchen an wichtige Informationen zu kommen.
Und so wie die eigene digitale Identität sind auch Netzwerknamen nicht in Stein gemeißelt. Finden wir sie nach einer Zeit langweilig oder unpassend, ändern wir sie. Meals eigenes WLAN heißt "EasyBox-876524". Was das über ihn aussagt? "Ich bin einfach zu faul, den Standardnamen zu ändern." (red, 25.12.2016)