New York / Jerusalem / Kairo – Völlig entgegen ihrer Politik der vergangenen Jahre haben sich die USA am Freitagnachmittag (Ortszeit) bei einer Abstimmung im UN-Sicherheitsrat der Stimme enthalten und so die Annahme einer israelkritischen Resolution ermöglicht. In der Entschließung wird ein Stopp des israelischen Siedlungsbaus im Westjordanland gefordert. 14 der 15 Ratsmitglieder stimmten zu. Somit ist die Resolution, da sie mehr als neun Stimmen erhielt und kein Veto eingelegt wurde.
Die israelische Regierung kritisierte die Enthaltung der USA scharf. Das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu teilte mit, Israel werde sich nicht an die "beschämende anti-israelische Resolution" halten. Der Sicherheitsrat tue nichts, um das Schlachten einer halben Million Menschen in Syrien zu beenden, aber gehe gegen Israel, die einzige echte Demokratie im Nahen Osten vor.
Vorwürfe gegen Obama
Netanyahu warf der Regierung des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama vor, Israel nicht beschützt und "gemeinsame Sache" mit den Israel-Gegnern im Sicherheitsrat gemacht zu haben. Er freue sich auf die Zusammenarbeit mit Obamas Nachfolger Donald Trump.
Außerdem kündigte Netanyahu an, die Beziehungen seines Landes zu den Vereinten Nationen zu überprüfen. Dazu gehöre die Finanzierung von UN-Einrichtungen und die Anwesenheit von UN-Vertretern in Israel, sagte er am Samstag. Die Überprüfung solle innerhalb eines Monats abgeschlossen sein. Er habe bereits Anweisung gegeben, die Zahlung von umgerechnet 7,8 Millionen Dollar an fünf besonders israel-feindliche UN-Institutionen zu stoppen, sagte Netanyahu, ohne die Einrichtungen konkret zu nennen.
Sensation oder Skandal
Dass die USA nicht von ihrem Vetorecht Gebrauch machten, wurde je nach politischem Lager als Sensation oder als Skandal gewertet. Samantha Power, UN-Botschafterin der USA, kommentierte Washingtons Verhalten so: Die Resolution nenne die Dinge beim Namen und stehe mit der Politik der USA im Einklang. Man könne nicht den Siedlungsbau in den palästinensischen Gebieten unterstützen und gleichzeitig für eine Zwei-Staaten-Lösung eintreten.
Eingebracht wurde die Resolution von den sogenannten nicht ständigen Mitgliedern Malaysia, Neuseeland, Venezuela und Senegal. Die ersten drei sind für die Periode 2015–2016 ernannt und scheiden in Kürze aus; das afrikanische Land ist Mitglied für die Periode 2016–2017.
Ursprünglich hatte auch Ägypten (Mitglied 2016–2017) die Resolution mitgetragen, seine Unterstützung dann aber nach Intervention des designierten US-Präsidenten Donald Trump zurückgezogen. Offiziell hieß es, man wolle eine "Vertagung", um Trumps künftiger Regierung "eine Chance zu einer ausführlichen Befassung mit allen Aspekten der Palästinenserfrage zu geben".
Trump hatte, obwohl er erst am 20. Jänner 2017 vereidigt wird, vorab ein Veto der USA gegen die Resolution gefordert, die zum sofortigen Stopp israelischer Siedlungsaktivitäten in den Palästinensergebieten und in Ostjerusalem aufruft.
Israel machte Druck
Israel hatte schon am Mittwoch die USA aufgefordert, von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hegte die Befürchtung, dass der in knapp vier Wochen aus dem Amt scheidende US-Präsident Barack Obama eine israel kritische Resolution ermöglichen würde. Eine Entwicklung, die am Freitag tatsächlich eintrat.
Die internationale Gemeinschaft verurteilt die israelische Siedlungspolitik im Westjordanland seit langem. 2011 hatten die USA gegen einen ähnlichen Antrag noch ihr Veto eingelegt.
Der neue Beschluss kann nicht nur als Zurechtweisung Trumps durch Obama verstanden werden, sondern bedeutet laut politischen Beobachtern auch ein Desaster für die ägyptische Diplomatie – und Druck auf Präsident Abdelfattah al-Sisi.
Nach dem Rückzieher beschlossen Malaysia, Neuseeland, Venezuela und Senegal, den Antrag, an dem sie mitgearbeitet hatten, dennoch zur Abstimmung zu bringen. Ägypten ließ eine letzte Chance, zur "Klärung seiner Position" beizutragen, verstreichen.
Trump gab sich – obwohl die Abstimmung für ihn nicht wie gewünscht lief – wie gewohnt selbstbewusst und twitterte: "Auch bei den UN werden die Dinge nach dem 20. Jänner anders sein."
"Ernsthafte Verhandlungen"
UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon befürwortete die Annahme der Resolution. Er rief Israelis und Palästinenser auf, nun wieder "ernsthafte Verhandlungen" zur Beilegung des Nahost-Konflikts aufzunehmen. Der Nahost-Friedensprozess ist lahmgelegt, seit ein Vermittlungsversuch der US-Regierung im April 2014 gescheitert war. Frankreich will Mitte Jänner eine neue internationale Nahost-Konferenz ausrichten.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte in Berlin, der Sicherheitsrat habe noch einmal bestätigt, was schon lange die Position der Bundesregierung sei: Der Siedlungsbau in den besetzten Gebieten behindere die Möglichkeit eines Friedensprozesses und gefährde die Grundlagen der Zwei-Staaten-Lösung.
Nach Angaben der Organisation Security Council Report hatten die USA in der Vergangenheit dreißig Mal ihr Veto eingelegt, um Resolutionen zu Israel und den Palästinensern zu verhindern. Das letzte Mal hatte sich Washington im Jahr 2009 enthalten, als es um einen Aufruf zu einer Waffenruhe im Gazastreifen ging. (Reuters, AFP, APA, red, 24.12.2016)