Der "Falter" lässt jegliche Selbstironie vermissen.

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In ihrer jährlichen Satirebeilage "Best of Böse" ("BoB") reiht die Wochenzeitung "Falter" die antifaschistische Aktivistin Natascha Strobl in ihr Ranking der "bösesten" Österreicherinnen und Österreicher, weil diese "aufgeregt" vor Rechtsextremen warne und zu den Mitorganisatorinnen und -organisatoren der Demos gegen den freiheitlichen Akademikerball zählt.

Die Politikwissenschafterin und Mitautorin der Bücher "Die Identitären" und "Rechte Kulturrevolution" selbst nimmt, das verschweigt der "Falter", an diesen Demos längst nicht mehr teil, da sie mehrfach zur Zielscheibe rechter Gewalt bis hin zu Morddrohungen geworden ist. Durch das Ranking in einer Reihe mit Menschen, die tatsächlich unmoralisch gehandelt haben oder zumindest Machtfunktionen ausüben, delegitimiert der "Falter" nicht nur ihr Engagement, er exponiert sie auch ad personam gegenüber ihren Verfolgern.

Bereits vor Jahren sah sich die "Falter"-Chefredaktion zu einer Entschuldigung bei dem Journalisten Simon Inou genötigt, nachdem "BoB" diesen aufgefordert hatte, "zur Strafe" für antirassistische Kritik das rassistische N-Wort zu skandieren: "Falls wir Simon Inou gekränkt haben, entschuldigen wir uns bei ihm."

Griff in die Mottenkiste

Der "Falter", der sich als liberal-aufklärerisches Medium versteht, greift mit seiner eigenwilligen Auffassung von Humor immer wieder tief in die Mottenkiste des Ressentiments – denken wir etwa an das umstrittene Cover nach den Übergriffen von Köln im Vorjahr, das Täter und Opfer nach Hautfarben stereotypisierte. Und immer wieder macht er sich zum Sprachrohr des Kampfes gegen eine angebliche Unterdrückung der Meinungsfreiheit (und in Wirklichkeit des eigenen hegemonialen Status) durch das an die Wand gemalte Gespenst der "Political Correctness", die in der Realität nichts anderes einfordert als einen respektvollen Sprachgebrauch gegenüber von Diskriminierung betroffenen Menschen und den sensiblen und zeitgemäßen Umgang mit gesellschaftlichen Macht- und Unterdrückungsverhältnissen.

Humor als Mittel der Machtkritik

Kann man Humor kritisieren, ohne selbst als humorlos zu gelten? Kann man nicht – auch dann nicht, wenn Humor platt, herabwürdigend oder schlicht und einfach blöd daherkommt. Das macht Humor so gefährlich, was ja auch eine seiner wichtigen und oft heilsamen Funktionen ist: Mit Ironie und Satire, Übersteigerung ins Absurde und Lächerliche, Witz und Parodie gelingt es häufig, gesellschaftliche Missstände und Machtmissbrauch offenzulegen und deren Profiteure bloßzustellen. Humor entwaffnet, weil er die Zielscheiben der humorvollen Kritik – häufig zu Recht – als schlechte Verlierer und unlustige Egomanen demaskiert, wenn sie sich dagegen zu Wehr setzen. Und weil er für sich selbst – "ist ja nicht ernst gemeint" – oft erfolgreich eine scheinbare Harmlosigkeit in Anspruch nimmt, die jede Gegenwehr als unangemessen erscheinen lässt.

Deshalb war Humor in allen Kulturen der Menschheitsgeschichte – vom indigenen Trickster über den Hofnarren bis zu modernen Clowns wie Charlie Chaplin, Dario Fo, Jango Edwards und Leo Bassi – immer ein wirksames und legitimes Mittel der Machtkritik, das es zum Beispiel in autoritären Systemen ermöglichte, Zensur und Verfolgung zu umgehen. Nur die allerschlimmsten Diktatoren lassen Satire und Humor verbieten – und offenbaren sich damit eben auch als allerschlimmste Diktatoren.

"Witzarbeit"

Gleichzeitig kann Humor aber auch missbraucht werden: als Instrument der Verächtlichmachung anderer, meist Schwächerer, zur Pflege von Ressentiments oder zur Affirmation der eigenen Überlegenheit. Entscheidend ist, wer sich über wen lustig macht. Anschaulichstes Beispiel: "Die Witze, die von Fremden über Juden gemacht werden, sind zuallermeist brutale Schwänke, in denen der Witz durch die Tatsache erspart wird, dass der Jude den Fremden als komische Figur gilt", erkannte Sigmund Freud. "Auch die Judenwitze, die von Juden herrühren, geben dies zu, aber sie kennen ihre wirklichen Fehler wie deren Zusammenhang mit ihren Vorzügen, und der Anteil der eigenen Person an dem zu Tadelnden schafft die sonst schwierig herzustellende subjektive Bedingung der Witzarbeit."

Am besten lacht man über sich selbst

Diesen "Anteil der eigenen Person" – auch genannt Selbstironie – vermisst man beim "Falter" fast völlig. Im Gegenteil: Wer die Redaktion für ihren häufigen Mangel an Sensibilität kritisiert, wird als humorlos dargestellt – und von Chefredakteur Florian Klenk und Kollegen gerne auf die eigenen Verdienste in Sachen Aufklärung und Aufdeckungsjournalismus verwiesen. Motto: Wer so viel im Bereich Antirassismus, Antisexismus und so weiter geleistet habe, könne ja nicht rassistisch, sexistisch und so weiter sein. Das ist ein fataler Irrtum des bekennenden Coulrophobikers Klenk. Coulrophobie, das ist die Angst vor Clowns – also vor jenen Figuren, deren Humor zuallererst in der Akzeptanz der eigenen Lächerlichkeit besteht. Denn in einer Welt mit dominanten Diskriminierungsstrukturen geht es auch darum, immer wieder den eigenen Anteil an diesen Strukturen zu hinterfragen – selbstkritisch, am besten auch selbstironisch.

Eigentlich ist es ganz einfach: Wer über Stärkere lacht, zeigt Mut, wer auf Wehrlosen herumtrampelt, ist ein feiges Arschloch. Und am besten lacht, wer über sich selbst lachen kann – mit dem lachen wir dann auch gerne gemeinsam. Wir hoffen also auf Klenk und Co auf den vorderen Rängen von "BoB" 2017. (Klaus Werner-Lobo, 23.12.2016)