"Ich war das Einhorn in der Familie, immer ein bisschen anders", sagt die Pilotin Isabel Doppelreiter.

Foto: Isabel Doppelreiter

In der Pilotenvereinigung ACA macht sich Doppelreiter unter anderem dafür stark, bei Frauen die Begeisterung fürs Fliegen zu wecken.

Foto: Isabel Doppelreiter

Als Isabel Doppelreiter das erste Mal alleine ein Flugzeug flog, konnte sie nicht anders, als zu singen. "Simply the Best" von Tina Turner, volle sieben Minuten trällerte sie das Lied lautstark, während sie das kleine einmotorige Flugzeug vom Boden in den Himmel und wieder zurück brachte. Es war nicht nur ein Ausdruck der Freude, sondern auch der Kampf gegen das flaue Gefühl im Bauch, das jeden Piloten befällt, wenn der Fluglehrer aussteigt und man zum ersten Mal alleine fliegen soll. An diesem Tag war Isabel Doppelreiter stark und nervös zugleich, aber auch frei.

Schritt ins Cockpit

Dieser Flug war der große Schritt ins Cockpit, auf den Doppelreiter jahrelang hingearbeitet hatte. Vier Jahre zuvor, im Sommer 2001, war sie sich noch nicht einmal sicher gewesen, dass die Fliegerei sie überhaupt interessierte. "Ich war das Einhorn in der Familie, immer ein bisschen anders", erzählt die heute 35-Jährige. "Alle wussten, was sie wollen, nur ich nicht." Ihr Vater Helmut Doppelreiter war in den 1970er-Jahren ein erfolgreicher Motorsportpilot, tourte durch Europa, wurde Rennfahrer des Jahres. Die Mutter arbeitete im familieneigenen Autohaus, eine selbstbewusste Frau. Der Sohn der Familie trat in die Fußstapfen des Papas, wurde Rennfahrer und verkaufte Autos. Nur die Tochter wusste nicht, was sie werden sollte.

Mehr aus Verlegenheit bewarb sie sich bei Lauda Air als Flugbegleiterin. "Eine schöne Zeit", erinnert sich Doppelreiter, "wir sind um die ganze Welt geflogen. Aber Leidenschaft hat das in mir keine geweckt." Auf die Idee, dass sie selbst das Flugzeug steuern könnte, anstatt Gäste zu bedienen, brachte sie dann erst der Vater. "Wieso sitzt du hinten? Du könntest doch auch vorne im Cockpit arbeiten", sagte er. Da erst dämmerte es Isabel Doppelreiter, dass sie sich dafür begeistern könnte.

Pilotinnen sind rar

Pilotinnen sind in der Luftfahrt noch immer selten. "Es ist schade, dass ich damals gar nicht auf die Idee gekommen bin", sagt Doppelreiter, "aber dass Frauen auch Pilotinnen sein können, darüber habe ich wie viele andere Frauen gar nicht nachgedacht." Viel geändert hat sich seit damals nicht: Die Luftfahrtbehörde Austro Control hat 400 weibliche Piloten registriert – und 8.400 männliche. Das ergibt einen mageren Anteil von weniger als fünf Prozent.

Ein Teil ihrer Familie lebt in Kanada, daher ging sie dorthin, um die erste Hürde im Leben eines Berufspiloten zu nehmen: die ersten Flugstunden am Steuer einer einmotorigen Maschine. Hier lernt man, wie ein Flugzeug reagiert, wenn es gesteuert wird. Wie es sich um alle drei Raumachsen dreht, wie es sich anfühlt, wenn man in einer Kurve steil hochzieht. Es waren die ersten Stunden im Cockpit für Isabel Doppelreiter, und sie weckten plötzlich die Leidenschaft fürs Fliegen.

Sie ließ sich eine Löwenmähne auf den Rücken tätowieren; eine ihrer engsten Freundinnen in Kanada, eine Jüdin, gab ihr den Spitznamen "Arielle", hebräisch für "Löwin". Das ließ sich Isabel Doppelreiter auf den Handrücken tätowieren, eine versteckte Botschaft an jene, die es lesen können. Der Löwe ist für sie eines der faszinierendsten Tiere überhaupt: Seit Jahren engagiert sie sich für den Global White Lion Protection Trust und verbringt dafür ihre Urlaube arbeitend in Afrika.

Blöde Sprüche klopfen

Als sie mit ihrer ersten Fluglizenz zurück nach Österreich kam, wurde sie vom Fleck weg von Tyrolean Airways engagiert, der Fluggesellschaft, für die heute auch alle Austrian-Airlines-Piloten fliegen. "Das war ein Schock, damals gab es nur eine Handvoll Frauen im Cockpit", erinnert sich Doppelreiter, "da waren die Kanadier viel weiter." Sie boxte sich durch, ganz ihrem Tattoo entsprechend. Nur einmal habe sie wirkliche Frauenfeindlichkeit gespürt, sagt sie – als ein Pilot im Cockpit blöde Sprüche klopfte. Was er genau sagte, darüber will sie nicht reden. "Es ist lange her", sagt sie knapp, "wir fliegen nicht mehr miteinander, das war's."

Mittlerweile fliegt sie fast täglich für Austrian durch Europa, in Flugzeugen des Typs Fokker und Embraer. Zurzeit noch auf der rechten Seite: Das ist die Seite, auf der die Co-Piloten sitzen. In eineinhalb Jahren soll sie dann Kapitän werden; das bedeutet mehr Geld, aber auch mehr Verantwortung. Es wäre der nächste logische Schritt in ihrer Karriere.

Frauen fürs Fliegen begeistern

In der Pilotenvereinigung ACA macht sie sich schon seit einigen Jahren stark, unter anderem dafür, stärker bei Frauen die Begeisterung fürs Fliegen zu wecken. Als vor kurzem der langjährige Präsident in den Ruhestand ging, fragte der Vorstand sie, ob sie ihm nachfolgen wolle. Sie sagte Ja. Man spürt den Stolz ihrer Kollegen, dass Österreich damit eine Vorreiterrolle eingenommen hat, vielleicht auch ein Zeichen setzt: Weltweit gibt es keine andere Pilotenvereinigung, die eine Frau zur Präsidentin gewählt hat.

"Es ist so schade, dass nicht mehr Frauen sich für diesen Beruf begeistern", sagt Doppelreiter. "Ich tausche mich übers Internet mit anderen Pilotinnen aus, und da zeigt sich immer wieder, dass viele Frauen gar nicht auf die Idee kommen, dass es diesen Beruf auch für sie gibt. Schade – denn sie hätten die Wahl!" (Jens Lang, 1.1.2017)