Revolution: Gravitationswellenmessung

Im Februar gaben Physiker der internationalen Forschungskollaboration Ligo die erste Messung von Gravitationswellen bekannt. Im Juni wurde dann prompt die zweite Messung präsentiert. Diese direkten Nachweise von Störungen in der Struktur von Raum und Zeit bestätigen die Vorhersage von Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie und sind nicht weniger als ein Meilenstein in der Geschichte der Astronomie: Denn fast alle Informationen, die wir bisher über den Kosmos haben, stammen von elektromagnetischen Wellen. Gravitationswellen könnten uns künftig einen neuen Blick ins Universum eröffnen. So stammen die erstmals gemessenen Gravitationswellen von der Kollision Schwarzer Löcher. Noch nie zuvor konnte ein derart gewaltiges Ereignis beobachtet werden – man wusste noch nicht einmal sicher, ob und wie es vor sich geht. Das lässt Astronomen hoffen, dass in Zukunft Gravitationswellenteleskope neue Erkenntnisse zum Ursprung des Universums liefern und bislang rätselhafte Phänomene wie Dunkle Energie und Dunkle Materie erforschbar machen könnten.

Illustr.: MPI/W. Benger

Methusalem: Ältestes Wirbeltier

Über den Grönlandhai (Somniosus microcephalus) ist noch vieles unbekannt. Dass er recht alt wird, war aber klar. Der im Nordatlantik und im Arktischen Ozean heimische Hai wächst nämlich sehr langsam, bringt es aber auf eine imposante Körperlänge von vier bis fünf Metern. Doch eine konventionelle Altersbestimmung scheiterte bei diesem Knorpelfisch am Mangel an verkalktem Gewebe. Dänische Forscher analysierten deshalb bei 28 weiblichen Grönlandhaien Proteine der Augenlinsen, die schon im Mutterleib entstehen. Das im August präsentierte Ergebnis: Die untersuchten Tiere waren im Durchschnitt 272 Jahre alt, das größte Exemplar kam laut der Messung auf etwa 392 Jahre – bei einer Messunsicherheit von 120 Jahren. Die Forscher schließen daraus, dass Grönlandhaie an die 400 Jahre alt werden können und damit die Rekordhalter unter den Wirbeltieren sind. Dementsprechend lang müssen sich die Tiere auch gedulden, bis sie die Geschlechtsreife erlangen, so die Wissenschafter: Grönlandhaie dürften ab einem Alter von ungefähr 150 Jahren fortpflanzungsfähig sein.

Foto: Julius Nielsen

Hinweise: Neunter Planet

Wie viele Planeten beherbergt das Sonnensystem? Neun lautete die Antwort ein Dreivierteljahrhundert lang, bis im Jahr 2006 der 1930 entdeckte Pluto zum Zwergplaneten herabgestuft wurde. Acht also. Forscher spekulieren aber schon länger, ob es nicht noch einen weiteren und damit neuerlich einen neunten Planeten geben könnte. Zu Beginn des Jahres ließen US-Forscher mit den bisher deutlichsten Hinweisen aufhorchen, dass ein solcher Planet in den äußeren Bereichen des Sonnensystems bisher unerkannt seine Bahnen ziehen könnte. Ein wirklicher Beweis steht zwar noch aus, aber einiges spricht dafür: Die Orbits mehrerer in den vergangenen Jahren entdeckter Objekte jenseits der Pluto-Bahn scheinen von mindestens einem unbekannten größeren Himmelskörper beeinflusst zu werden. Forscher des California Institute of Technology (Caltech) in Pasadena kamen im Jänner in mathematischen Modellierungen zum Schluss, dass der mögliche Planet neun etwa zehn Erdmassen aufweisen müsse. Seither wurden weitere Objekte entdeckt, deren Bahnen diese Theorie stützen.

Foto: r. hurt/california institute of technology

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Genschere: Molekulare Hoffnung

Seit die Geneditierungsmethode CRISPR/Cas9 im Jahr 2012 vorgestellt wurde, gilt sie als vielleicht größte molekularbiologische Hoffnungsträgerin unserer Zeit. Das relativ einfache biochemische Verfahren macht es möglich, defekte Genteile und Mutationen gezielt aus der DNA herauszuschneiden und durch richtige Basen zu ersetzen. Inzwischen werden immer mehr Anwendungen des Systems getestet. Anfang 2016 gelang es Forschern etwa, die erblich bedingte Muskeldystrophie Duchenne bei Mäusen zumindest teilweise zu heilen, dann konnte eine für Alzheimer mitverantwortliche Genmutation korrigiert werden. Unter Kritik und mit geringem Erfolg modifizierten chinesische Forscher bereits zum zweiten Mal das Erbgut eines menschlichen Embryos, um eine Immunisierung gegen Aids zu erreichen. Ebenfalls in China läuft seit November die weltweit erste klinische Studie, in der Menschen mit einer CRISPR-Therapie behandelt werden, konkret geht es um Lungenkrebspatienten. Deutsche Krebsforscher kamen indes in einer Studie zur Einschätzung, dass sich mit dem Verfahren künftig 80 Prozent der krebsrelevanten Mutationen gezielt editieren ließen. Das CRISPR/Cas-System, um das im US-Bundesstaat Virginia derzeit ein Patentprozess tobt, geht auf einen Abwehrmechanismus von Bakterien zurück. Ende Dezember berichteten Forscher in "Nature" von der Entdeckung neuer Quellen für das CRISPR/Cas-System, darunter Archaeen.

Foto: RAMON ANDRADE 3DCIENCIA/picturedesk

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Gigantisch: Weltgrößtes Radioteleskop

Es heißt Five-hundred-meter Aperture Spherical Telescope (Fast), steht in einer Bergregion der südwestlichen chinesischen Provinz Guizhou und bricht alle Rekorde: Das größte Radioteleskop der Welt hat Ende September seine Arbeit vollständig aufgenommen. Das für umgerechnet 160 Millionen Euro errichtete Observatorium mit einem Durchmesser von mehr als einem halben Kilometer übertrifft mit seiner Reflektorfläche den bisherigen Rekordhalter, das Arecibo-Observatorium in Puerto Rico, deutlich. China will nach einer zwei- bis dreijährigen Testphase ausländische Wissenschafter zur Mitarbeit einladen und sich mit dem Teleskop an internationalen Forschungsprojekten, unter anderem zur Suche nach außerirdischem Leben, beteiligen. Die Schattenseite des gigantischen Wissenschaftsprojekts: Für den Bau des Teleskops wurden mehr als 9000 Menschen aus umliegenden Dörfern umgesiedelt, damit es zu keinen elektromagnetischen Störungen beim Betrieb kommt. Für Touristen wurde hingegen eine eigene Beobachtungsterrasse auf einem nahe gelegenen Berg errichtet.

Foto: AP/Xinhua/Liu Xu

Bakterien: Uralte Lebensspuren

Wann genau entstand das Leben auf der Erde? Ob diese Frage jemals abschließend geklärt werden kann, ist fraglich. Theorien gehen von einem Ursprung vor etwa vier Milliarden Jahren aus, die ältesten bekannten Relikte von Leben sind 3,5 Milliarden Jahre alt. Im September gaben australische Forscher einen neuen Fund bekannt: Sie hatten in Gestein aus dem Westen Grönlands ein wahrscheinlich um ganze 220 Millionen Jahre älteres Fossil entdeckt. Es dürfte sich dabei um 3,7 Milliarden Jahre alte Stromatolithen handeln, also biogene Sedimentstrukturen, die von Bakterien produziert wurden. Chemische und geophysikalische Analysen stützen die Annahme, dass die Strukturen in dem Gestein, das infolge des Klimawandels in den einst eisbedeckten Isua-Felsformationen zutage getreten ist, tatsächlich biologischen Ursprungs sind und von frühen Mikroben stammen. Wenn man die unwirtlichen Bedingungen der Erde zu dieser Zeit bedenkt, erscheint plötzlich auch der junge Mars als vielversprechender Kandidat für urzeitliches Leben, kommentierten Forscher der Nasa den Fund.

Foto: nutman/university of wollongong

Extrasolar: Wachsende Planetenvielfalt

Die Zahl der bekannten Exoplaneten steigt dermaßen rasant, dass man kaum noch mitkommt: An die 3500 solcher planetenartiger Himmelskörper außerhalb des Sonnensystems wurden bisher bestätigt. Hinzu kommen tausende mögliche Kandidaten – und es werden ständig mehr. Im Mai 2016 präsentierten Forscher der Nasa auf einen Schlag gleich 1284 neue Exoplaneten, die mit dem Weltraumteleskop Kepler erspäht werden konnten. Die Zahl derer, die sich in der habitablen Zone um ihre Sterne befinden, in der Wasser theoretisch flüssig sein könnte, ist freilich gering. Im August kam eine besonders spannende Entdeckung dazu: Proxima Centauri b ist der bisher erdnächste bekannte Exoplanet. Er umkreist unseren Nachbarstern Proxima Centauri "nur" 4,2 Lichtjahre von uns entfernt und befindet sich in dessen habitabler Zone. Auch wenn einiges dagegen spricht, dass er Leben beherbergt, gibt die bloße Existenz dieses Exoplaneten Hoffnung: Sein Stern entspricht dem häufigsten Sternentyp in unserer Galaxie, es könnte also noch viele weitere Welten in unserer Nachbarschaft geben.

Foto: NASA/W. Stenzel

Zellkerntransfer: Kinder mit drei Eltern

Mama, Mama, Papa: So gestaltet sich, genetisch gesehen, die Familiensituation des kleinen Abrahim Hassan. Im September wurde der damals fünf Monate alte Bub der Weltöffentlichkeit als erstes "Drei-Eltern-Baby" präsentiert. Sein Erbgut stammt zu Teilen von der Frau, die ihn geboren hat, von einer Eizellspenderin sowie von seinem Vater. Möglich ist das durch eine neue Methode der künstlichen Befruchtung, bei der der noch unbefruchtete Zellkern der mütterlichen Eizelle mittels eines sogenannten Spindeltransfers in die Eizelle einer Spenderin implantiert wird. Die Frau, die das Kind zur Welt brachte, leidet an der seltenen Erbkrankheit Leigh-Syndrom. Um eine Weitergabe der Krankheit an das Kind zu verhindern, entschied sie sich mit ihrem Mann für das bei Menschen noch nie zuvor angewandte Verfahren. Offenbar hat es funktioniert, der Bub ist gesund. Die Methode ist aber nicht unumstritten, die Vorgangsweise der Wissenschafter, die den Eingriff in Mexiko vornahmen, wo eine rechtliche Grauzone herrscht, wurde als intransparent kritisiert. Klare Rechtssicherheit für solche Eingriffe gibt seit Mitte Dezember in Großbritannien: Nach dem Parlament gab auch die zuständige Behörde Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) den Weg für die Anwendung frei.

Foto: APA/Ralf Hirschberger

Homo sapiens: Menschliche Wanderwege

Vor rund 200.000 Jahren entwickelte sich der moderne Mensch in Afrika – und dann? Wie und auf welchen Wegen Homo sapiens die Welt eroberte, ist nach wie vor Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen. Im September legten drei internationale Genetikerteams umfangreiche Studien vor, die neue Einblicke in die Wanderungsbewegungen unserer Vorfahren geben. Auch wenn sich aus den neuen Ergebnissen noch immer kein einheitliches Bild ergibt, lichtet sich stellenweise der Nebel: So spricht vieles dafür, dass sich die Gruppe, auf die alle heute lebenden Menschen zurückzuführen sind, bereits vor 200.000 Jahren in Afrika aufgespalten hat. Ein Teil verließ demnach den afrikanischen Kontinent und teilte sich dann in eine ost- und eine westeurasische Gruppe. Es kann aber weiterhin nicht ausgeschlossen werden, dass es zu mehreren Auswanderungswellen kam – Hinweise darauf fanden sich im Erbgut von Menschen aus Papua Neuguinea. Für ihre Studien sequenzierten die Forscher Genome von insgesamt 787 Personen aus mehr als 280 unterschiedlichen Populationen.

Foto: Nasa

Irrtümer: Verstehende Affen

Dass auch Affen Irrtümer anderer Individuen erkennen können, zeigten Forscher im Oktober des Jahres im Fachblatt "Science". Bisher waren Forscher davon ausgegangen, dass nur Menschen diese Fähigkeit besitzen. In Experimenten mit Schimpansen, Bonobos und Orang-Utans zeigte sich, dass die Tiere offenbar auch die Perspektive anderer einnehmen konnten. Die Forscher schlossen daraus eine Fähigkeit zum Verständnis, dass nicht die Realität sondern bestimmte subjektive Annahmen für die Handlungen anderer entscheidend sind.

Foto: APA/AFP/ZOOM DOSSO

Esa-Missionen: Bruchlandungen

Gleich zwei Abstürze hat die Europäische Weltraumorganisation Esa 2016 zu verbuchen. Einer war geplant und markierte das kometenhafte Ende einer Erfolgsgeschichte: Am 30. September stürzte die Raumsonde Rosetta wie vorgesehen auf die Oberfläche des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko, dem ihre zwölfeinhalbjährige Reise gewidmet war. 2004 gestartet, hatte Rosetta den Kometen 2014 erreicht, es folgte der wohl spektakulärste Teil der Mission: Der Miniroboter Philae landete auf dem Kometen. Die Sonde selbst umkreiste Tschurjumow-Gerassimenko und sammelte eine Vielzahl von Daten, die Forscher noch lange beschäftigen werden. Der zweite Crash war unbeabsichtigt: Er ereignete sich am 19. Oktober, als das Testmodul der Mission ExoMars beim Landeanflug auf den Mars aus mehreren Kilometern Höhe abstürzte (im Bild: Absturzstelle auf einer Aufnahme des Mars Reconnaissance Orbiter der Nasa). Der Schiaparelli genannte Roboter wurde beim Aufprall auf die Marsoberfläche vollkommen zerstört. Immerhin wurde während des Unglücks die Raumsonde Trace Gas Orbiter erfolgreich in eine Marsumlaufbahn gebracht und nahm die Forschungsarbeit auf. Trotz des Rückschlags will man es 2020 wieder mit einer Marslandung versuchen: Der Esa-Ministerrat gab Anfang Dezember grünes Licht für die Fortsetzung der Mission. (David Rennert, 30. 12. 2016)

Foto: nasa/jpl-caltech/university of arizona