Die seltsame westliche Tradition, jedem Esser eine eigene Portion zu servieren, gar in mehrgängiger Folge, verträgt sich nicht gut mit Geselligkeit, Alkohol und Spaß für alle Beteiligten. So richtig reibungslos klappt das nur mit Küchenmannschaft und Servierpersonal.

Viel besser ist es da, es wie die Chinesen zu machen und einfach alle köstlichen Speisen so, wie sie fertig werden, in die Mitte zu stellen, auf dass sich jeder nach Lust und Laune nehmen kann (oder eben nicht), dass kreuz und quer gegessen und verglichen, besprochen und gemeinsam genossen werden kann. Und wenn manches dabei ein wenig herumsteht, bevor es verkostet wird, umso besser: Richtig heißes Essen ist sowieso fast nie so gut wie lauwarmes.

Foto: Tobias Müller

Gerade zu Silvester bietet sich so eine Servierart an. Im diesjährigen "Gruß aus der Küche"-Silvestermenü treten daher auf: Mapu-Tofu, Sichuans berühmtestes Gericht, teegeräuchertes Huhn, Ohrfeigenreis und, für mich das Highlight, Schweinsfüße in Erdnusssauce. Alle Rezepte (bis auf den Mapu) stammen von Xin Xin, die wiederum aus der Provinz Jiangsu nördlich von Schanghai kommt, eine Zeitlang in Chengdu, Sichuans Hauptstadt, studiert hat und nun seit einigen Monaten in Wien lebt. Sie hat das ganze Menü zusammen mit dem Matthias Krön für einige glückliche Gäste, mich inklusive, gekocht.

Schweinsfüße gelten in Europa gemeinhin als schwer essbar, weil auf ihnen kaum Fleisch zu finden ist. Meist werden sie für die Sulz beziehungsweise als Gelatinequelle verwendet. Nur sehr talentierten Köchen gelingt es, sie zu entbeinen, mit Bries und Pilzen zu füllen und als eine Art Überwurst zu servieren. Die Chinesen hingegen machen da nicht so ein Tamtam: Sie hacken die Füße in mundgerechte Stücke und kochen sie so lange, bis sich die Haut auf ihnen in eine weich-üppig-glibbrige Schweinerei verwandelt, auf der jegliche Sauce wunderbar haftet und die genussvoll von den Knochen gesaugt und genagt werden kann.

Xin Xin hat die Füße in einer einfachen Sauce aus Nam Yu, fermentiertem Tofu, Erdnussbutter und Reiswein geschmort. Das Ergebnis ist nussig, schweinisch und leicht süß, ein klein wenig alkoholisch, ein bisserl vergoren-umami und zum Lippenlecken klebrig-gut. Nam-Yu-Tofu, der in Resten der Reisweinproduktion vergoren wird, hat einen ausgeprägten Geschmack und wird vor allem zum Kochen verwendet, vielleicht ein bisserl wie kräftiger Gorgonzola.

Unterlage und Smalltalk-Thema

Zugegeben, das Gericht ist sehr chinesisch: Die Schweinshaut-Konsistenz, für Europäer ungewohnt, ist ein wesentlicher Teil des Genusses, genauso wie der Spaß, jedes essbare Stück von den Knochen zu kriegen. Außerdem leidet es mindestens so sehr unter dem "Brown Food"-Problem wie der royale Hase. Wer sich darauf einlässt, bekommt aber ein sensorisches Fest, eine wunderbare Unterlage für Sektexzesse und ein Smalltalk-Thema. Die Haxen können problemlos Stunden oder auch Tage vor der Party vorbereitet und dann im richtigen Moment aufgewärmt werden – über Nacht gereift, schmecken sie noch besser. Es dauert zwar ein paar Stunden, bis sie schön weich sind, ansonsten hält sich der Kochaufwand aber in sehr engen Grenzen.

Für das Tee-Räucherhuhn wird ein ganzes Huhn in einem aromatischen Sud aus Tee und Gewürzen gekocht und kurz vor dem Servieren mit heißem Öl, in dem grüner Tee gebraten wurde, übergossen. Das Geflügel bekommt dadurch eine feine, aromatische Teenote, und die ganze Küche duftet verführerisch nach Tee. Der Ohrfeigenreis gehört zum sowieso sehr superen Genre des gebratenen Reises. Er verdankt seine spezielle Köstlichkeit einer ordentlichen Portion Shrimpkopföl und gesalzenem Entenei. Und Mapu-Tofu ist sowieso nicht nur zu Silvester unwiderstehlich. Weil er aber bereits hier von mir und etwa hier von jemand anderem beschrieben wurde, folgt unten kein weiteres Rezept.

Schweinsfüße mit vergorenem Tofu in Erdnusssauce

Für sechs Esser brauchen Sie:

4 Schweinsfüße
eine Handvoll Erdnüsse
ein Glas Nam Yu
zwei daumengroße Stücke Ingwer
einen Bund Frühlingszwiebel
etwas braunen Zucker
Sternanis und Cassiarinde
eine Flasche Shaoxing-Kochreiswein

Das Wichtigste hier ist, seinen Fleischhauer zu bitten, die Schweinsfüße zu schneiden: Einmal in der Mitte durchgeschnitten und dann dreimal quer – also insgesamt in sechs Teile zerlegt – bietet sich an. Mit einer Fleischersäge ist das eine Sache von einer Minute. Zu Hause ist es nur mit sehr viel Mühe und einem guten Beil möglich, und selbst das nimmt mitunter Schaden, wie mir Xin Xin an ihrem Beil gezeigt hat. Wenn Sie wenige Nebengerichte servieren, rechnen Sie mindestens einen Schweinsfuß pro Esser.

Foto: Tobias Müller

Die geschnittenen Schweinsfüße mit einem Bund Frühlingszwiebel und einem daumengroßen Stück Ingwer (leicht angequetscht) in einen Kochtopf geben, mit kaltem Wasser bedecken und zum Kochen bringen. Fünf Minuten kochen lassen und abgießen. Die Schweinsfüße ordentlich kalt abwaschen und zur Seite stellen. Eine Handvoll Erdnüsse in einem Mörser zu Brei mahlen (oder Erdnussbutter nehmen) und mit fünf Würfeln Nam Yu und einem kräftigen Schuss Shaoxing-Reiswein zu einer Paste verrühren.

Die Schweinsfüße damit einreiben und eine halbe Stunde bis Stunde marinieren lassen.

Foto: Tobias Müller

In einem schweren Topf – Xin Xin nimmt einen chinesischen Tontopf, eine Art Römertopf, ich habe meinen Gusseisenbräter verwendet – etwas Erdnussöl erhitzen. Ein daumengroßes Stück Ingwer schälen, in Scheiben schneiden und kurz in dem Öl anbraten. Zwei, drei Sternanissamen und ein Stück Cassiarinde nachwerfen und die Schweinsfüße ebenfalls rundum kurz braten. Die restliche Marinade und zwei Löffel braunen Zucker dazukippen und mit einem ordentlichen Schuss Shaoxing-Wein und Wasser aufgießen, bis die Füße fast bedeckt sind. Sie müssen nicht komplett versenkt werden, aber der Sud sollte ihnen schon bis zum imaginierten Hals stehen.

Foto: Tobias Müller

Kurz aufkochen lassen. Nach Lust und Laune noch ein paar ganze Erdnüsse dazugeben, zudecken und bei 120 Grad gute drei Stunden ins Rohr schieben, bis die Haut butterweich ist und sich leicht vom Knochen zuzeln lässt. In einer Schüssel in der eigenen Sauce und mit reichlich Sauce servieren.

Ohrfeigenreis

Für sechs Esser brauchen Sie:

12 große Shrimps, geschält, die Köpfe aufgehoben
4 gesalzene Enteneier, Eiweiß und Eigelb getrennt und zerkrümelt
2 mittelgroße, klein geschnittene Karotten (gewürfelt oder Julienne)
200 Gramm klein geschnittene Fisolen (alternativ: Erbsen)
2 rohe Eier
gekochten Reis, am besten vom Vortag

Die Köpfe der Shrimps in heißem Öl braten, bis sie knusprig sind und das Öl sich rötlich verfärbt hat und herrlich nach Shrimps duftet. Mit einem Schaumlöffel herausheben, abtropfen und zur Seite stellen. Die Hitze erhöhen. Das zerdrückte Eigelb und die geschnittenen Karotten braten, nach zwei Minuten die Fisolen dazugeben und alles Weitere zwei Minuten braten. Schließlich den Reis hinzufügen und ebenfalls braten, bis er trocken wirkt. Ganz zum Schluss die Shrimps, das gesalzene Eiweiß und zwei rohe Eier unterrühren und alles kurz durchwärmen, bis die Shrimps glasig sind. Mit den frittierten Shrimpköpfen (können komplett gegessen werden) bestreuen und servieren.

Foto: Tobias Müller

Teerauchhuhn

Für sechs Personen brauchen Sie:

idealerweise 2 Stubenküken, aber ein Huhn tut's notfalls auch
1 Handvoll Goji-Beeren
100 Gramm grünen Teee
ein Stück Cao Guo, in Wien etwa bei Lilly-Markt erhältlich
zwei bis drei Lorbeerblätter
Sternanis
1 Zimtstange
einige Fenchelkörner
getrocknete Orangenschale
3 Scheiben Ingwer
3 Knoblauchzehen
1 Bund Frühlingszwiebel
Chili nach Wunsch

Die Gewürze (außer Chili, Knoblauch und Jungzwiebel) und die Hälfte des Tees in eine Schüssel geben und mit 1/2 Liter kochendem Wasser übergießen.

Foto: Tobias Müller

Eine halbe Stunde ziehen und auskühlen lassen. Die Stubenküken beziehungsweise das Huhn in einen Römertopf oder Bräter geben und mit der Flüssigkeit, ordentlich Salz und etwas heller Sojasauce übergießen und mit der Mischung ordentlich massieren. Drei Scheiben Ingwer dazugeben und alles mindestens 45 Minuten bis über Nacht marinieren lassen.

Die Knoblauchzehen, die Jungzwiebel und, je nach gewünschtem Schärfegrad, zwei oder mehr getrocknete Chilis dazugeben. Sanft zugedeckt knapp am Siedepunkt für eine Stunde dünsten.

Foto: Tobias Müller

Kurz vor Ende der Garzeit Erdnussöl in einer Pfanne stark erhitzen und den Rest der Teeblätter hineinwerfen und kurz braten, bis es raucht.

Foto: Tobias Müller

Das heiße Öl samt den Blättern über das Huhn gießen, in seiner Suppe servieren.

Foto: Tobias Müller

>> Die alljährliche Beste-Kochbücher-Liste von Tobias Müller.