Am Ende stand lediglich eine neue Frist für Warschau, die Rhetorik von Frans Timmermans aber klang nach Muskelspiel. Er werde "diese Sache nicht fallenlassen", sagte der Vizepräsident der EU-Kommission zur Auseinandersetzung um Polens Verfassungsgericht. Die Polen hätten das "Recht auf eine unabhängige Justiz", die Kommission verspüre mit ihnen eine "starke Solidarität".

Starke Worte in einer Situation, in der Brüssel weder vorpreschen noch zurückrudern kann. Verschärft die Kommission die Gangart und leitet die nächste Stufe im Rechtsstaatsverfahren gegen Warschau ein, dann riskiert sie, die EU mehr als bisher in die Grabenkämpfe zwischen Polens rechtsnationaler Regierung und der Opposition hineinzuziehen. Eine Verlagerung des Konflikts an die Bruchlinie zwischen EU-Gegnern und -Befürwortern kann nicht im Interesse Brüssels sein. Gibt sich die Kommission aber mit beschwichtigenden Erklärungen aus Warschau zufrieden, könnte sich Polens Bürgergesellschaft, die sich zuletzt lautstark Gehör verschafft hat, enttäuscht von der EU abwenden.

In der Auseinandersetzung über eine Verschärfung des Abtreibungsrechts oder im Streit über die geplanten Einschränkungen für Parlamentsjournalisten konnten Polens Oppositionelle jüngst Teilerfolge erzielen. Zurückrudern ist derzeit also eher eine Warschauer Disziplin. In Brüssel hingegen übt man sich lieber in Zurückhaltung. Angesichts der aktuellen Entwicklung nicht die schlechteste Wahl. (Gerald Schubert, 21.12.2016)