Konzertierte Aktion gegen Terror und Mafia: Die EU-Kommissare Dimitris Avramopoulos (Inneres), Věra Jourová (Justiz), Julian King (Anti-Terror) wollen Polizei- und Justizbehörden EU-weit enger vernetzen.

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Weihnachtsputz in der EU-Kommission: Mit einem Bündel von Vorschlägen hat die Zentralbehörde mehrere politische Initiativen aus dem laufenden Jahr am Mittwoch auf einen aktuellen Stand gesetzt. Der Schwerpunkt liegt auf dem Bereich der inneren Sicherheit.

So sollen den USA und Kanada Visafreiheit für Polen, Bulgarien, Rumänien und Zypern schmackhaft gemacht werden, wie das im Zuge der Verhandlungen über die Freihandelsverträge Ceta (abgeschlossen) und TTIP (offen) angestrebt wurde. US-Bürger brauchen bei der Einreise in die Union kein Visum mehr, wie die meisten EU-Bürger umgekehrt auch. Nun soll das für alle EU-Staaten gelten, Ziel: Ende 2017.

In die andere Richtung, nämlich zur EU-weiten Verschärfung der Regeln, geht es bei der Bekämpfung der Finanzierung von Terrorismus und organisierter Kriminalität. Ein ressortübergreifendes Team mehrerer Kommissare hat unter Federführung von Vizepräsident Frans Timmermans nach der dritten Revision zur "Sicherheitsunion" einen Richtlinienentwurf vorgelegt.

Harmonisierung der Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz soll weiter harmonisiert, das Schengen-Informationssystem (SIS) ausgebaut werden. Bei Terrorverdacht soll es verpflichtende Alarmsysteme geben. Es werden neue Kategorien von gesuchten Personen eingeführt. Die Kontrolle von Vermögensmitnahmen über EU-Binnengrenzen hinweg wird verstärkt. Die Grenze liegt derzeit bei 10.000 Euro pro Person. Entsprechende Zollkontrollen sollen nun von Bargeld auf andere Wertgegenstände oder zum Beispiel Gold oder Prepaidkarten ausgeweitet werden.

Wie Justizkommissarin Věra Jourová sagte, sollen die Beschlagnahmeregelungen vereinheitlicht werden, um zu verhindern, dass Terroristen und Kriminelle Geld in Sicherheit bringen können. So soll es möglich sein, Beschlagnahmeanträge in einem anderen EU-Land regulär auszuführen, auch wenn gegen jemanden noch keine gerichtliche Verurteilung vorliegt.

Verfahren gegen Polen

Die Verfahren sollen beschleunigt werden, die gegenseitige Anerkennung von Justizakten verbessert werden. Und es soll Terroristen nicht mehr so leicht möglich sein, Transfers über Verwandte oder Familienmitglieder laufen zu lassen. Schließlich soll es auch leichter sein, im grenzüberschreitenden Verfahren Opfer von organisierten Kriminellen zu entschädigen.

Eine juristisch brisante Entscheidung ganz anderer Art hat die Kommission zu Polen getroffen. Das Land steht seit fast einem Jahr unter Beobachtung wegen möglicher Verstöße gegen das Gebot der Rechtsstaatlichkeit beziehungsweise gegen den EU-Vertrag.

Hintergrund sind die Aktionen der rechtskonservativen polnischen Regierung, die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichtshofes einzuschränken beziehungsweise gegen Medienfreiheit und Oppositionelle vorzugehen. Dazu hatte die Kommission im März die Vorstufe des Artikel-7-Verfahrens eingeleitet, das im Extremfall bis hin zum Stimmrechtsentzug Polens in EU-Institutionen führen könnte. Timmermans führte dazu seither "einen Dialog", der zu einigen Verbesserungen geführt habe, wie er am Mittwoch in Brüssel sagte. Jedoch gebe es durch die jüngste Ernennung einer Präsidentin für das Höchstgericht neue Bedenken. Die Kommission hat daher der Regierung in Warschau neue "Empfehlungen" zur korrekten Behandlung des Verfassungsgerichts übermittelt. Sie hat zwei Monate Zeit, auf die Bedenken einzugehen, erklärte Timmermans.

Tue sie das nicht, so wäre es denkbar, dass seine Behörde im Frühjahr ein Stimmrechtsentzugsverfahren formell einleitet. Dabei müssten aber der Europäische Rat der Regierungschefs und das EU-Parlament ihre Zustimmung geben, was aufgrund der hohen Hürden beim Entscheidungsverfahren unwahrscheinlich ist. Timmermans will weiter "auf Dialog und Einsicht" setzen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 21.12.2016)