Wien – "Mit Bedauern" ob des Auslaufen seines Vertrags nach zwei Amtszeiten und Glückwünschen für seinen Nachfolger Bogdan Roščić hat Staatsoperndirektor Dominique Meyer auf die heutige Entscheidung von Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) reagiert. In einer Stellungnahme gegenüber der APA betonte er, seine "Aufgabe bis zum Ende meiner Amtszeit 2020 mit demselben Enthusiasmus" weiterführen zu wollen.

Der seit 2010 amtierende Staatsoperndirektor war selbst unter den 20 Bewerbern, die sich um den Posten ab 1. September 2020 beworben hatten. "Als ich von der Entscheidung erfuhr, habe ich die Direktionsmitarbeiterinnen und Mitarbeiter versammelt und gebeten, den neuen Direktor bei der Umsetzung all seiner Projekte zu unterstützen, um der Wiener Staatsoper eine strahlende Zukunft zu sichern", so Meyer, der seinem Nachfolger "viel Glück und Erfolg mit dieser erfüllenden und herausfordernden Aufgabe", wünschte. "Ich meinerseits werde neue Wege beschreiten.", sagte er, er sei aber "dem österreichischen Staat sehr dankbar, mir die Möglichkeit gegeben zu haben, zehn Jahre (insgesamt sogar dreizehn, wenn man die Vorbereitungszeit dazuzählt) im Dienste dieser wunderbaren Institution arbeiten zu dürfen, umgeben von einem kompetenten und engagierten Team, das mich stets unterstützt hat."

Überrascht haben Persönlichkeiten aus dem Musiktheaterbereich auf die Kür von Bogdan Roščić zum neuen Staatsoperndirektor ab 2020 reagiert. Während Roland Geyer, Intendant des Theaters an der Wien, von einer "beinahe amerikanischen Lösung im Sinne von 'alles ist möglich'" spricht, freut sich der frühere Staatsoperndirektor Ioan Holender über den "sehr guten und unösterreichischen Weg".

So sei es für das Land "ungewohnt", dass Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) eine "Alleinentscheidung im Bewusstsein seiner eigenen Verantwortung" getroffen hat, meinte Holender gegenüber der APA. Dass Roščić bisher keine Erfahrung als Theaterleiter habe, sei "nicht so wichtig", sei es bei früheren Direktoren wie Herbert von Karajan, Lorin Maazel oder ihm selbst doch nicht anders gewesen. "Roščić war in den letzten Jahren in den Kreisen der höchsten sängerischen und dirigentischen Qualität tätig", so Holender über dessen Qualifikation. "Das Einzige, wo er Nachholbedarf hat, ist die Regie."

Auch das Alter Roščićs wertet Holender als positiv. "Er ist relativ jung, was gut ist. Er muss vieles grundlegend ändern, denn die Zeiten haben sich geändert. Das Wichtigste ist, dass man mit Sicherheit nicht mehr ein so großes Repertoire aufrechterhalten kann. Ich weiß schon, dass die Wiener das nicht so gern hören." Er selbst habe Roščić erst einmal erlebt: Der Chef von Sony Music Classical führte 2010 gemeinsam mit ORF-Anchorman Armin Wolf "sehr gut vorbereitet" durch die Abschiedsmatinee für Holender. "Er kennt mich besser als ich ihn."

Stärkere Verbindungen zu Roščić haben die Wiener Philharmoniker, erscheint doch die alljährliche Neujahrskonzert-CD bei Sony Classical. Das Orchester stand bekanntermaßen klar hinter einer Vertragsverlängerung von Dominique Meyer, wolle aber "im Sinne des Hauses" positiv an die Sache herangehen, wie Vorstandsvorsitzender Andreas Großbauer in einer Stellungnahme betonte. "Auch wenn wir mit der Entscheidung überrascht wurden, uns das neue Konzept unbekannt ist und wir erst am Vorabend der Pressekonferenz über die Ministerentscheidung informiert wurden."

Mit dem "erfahrenen Musikmanager" Roščić arbeite man jedenfalls "schon seit längerem erfolgreich zusammen", so Großbauer. "Wir gehen davon aus, dass der bisherige Erfolgskurs, das gute Einverständnis und künstlerische Miteinander, die die Ära Dominique Meyer geprägt haben, zwischen Wiener Philharmonikern und Staatsoper seine Fortsetzung finden wird." Auch Volksopern-Direktor Robert Meyer gratulierte Roščić in einer kurzen Stellungnahme, wünscht "ihm und der Wiener Staatsoper alles Gute" und freut sich "auf eine gute Zusammenarbeit".

Gratulation "zu dieser ausgezeichneten Entscheidung" kommt von Nikolaus Bachler, der die Wahl als "großartiges Signal für die Zukunft der Wiener Staatsoper" bezeichnet. "Bogdan Roščić wird das Haus mit Mut, Offenheit und Fantasie in die Gegenwart und auf die internationale Bühne führen." Der österreichische Intendant der Bayerischen Staatsoper hatte sich – anders als von Medien im Vorfeld gemutmaßt – nicht um die Nachfolge Meyers beworben.

Nicht kommentieren möchte man die Entscheidung bei den Bregenzer Festspielen. In Spekulationen wurde im Vorfeld Intendantin Elisabeth Sobotka wiederholt als eine der Topfavoritinnen für die Position gehandelt. "Elisabeth Sobotka möchte ihre erfolgreiche Arbeit bei den Bregenzer Festspielen fortsetzen und hatte sich deshalb auch nicht um die Staatsopern-Direktion beworben", heißt es dazu heute gegenüber der APA.

Als "mutige und sehr kompetente" Entscheidung von Kulturminister Drozda bezeichnete Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny die Bestellung von Roščić. Er sei "ein international versierter Musikmanager und Netzwerker, der die Oper für künftige Generationen öffnet und im Haus am Ring weiterhin für ein Programm auf Weltniveau sorgen wird."

Dirigent Franz Welser-Möst, ehemaliger Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper, sieht "eine sehr mutige Entscheidung, weil sie nicht auf der Hand lag". Roščić, den er nicht persönlich kenne, wirke "höchst ambitioniert und ist in seinem Denken nicht provinziell", so Welser-Möst. "Das ist ein echter Macher." Wie immer müsse man die Leute an ihren Taten messen. "Aber wie er die Dinge analysiert, die Situation der Opernhäuser, das zeigt, er ist sehr hell und sehr wach. Spannend wird, mit welchen Leuten er sich umgibt." Dass dabei heute auch sein eigener Name gefallen ist, habe er natürlich registriert. "Ich werde selbstverständlich vollkommen offen in die von ihm angekündigten Gespräche gehen. Die Wiener Staatsoper kann mir gar nicht egal sein."

Fallen und Stolpersteine im Betrieb gebe es für den neuen Direktor jedenfalls genug. "Sonst wäre es nicht Wien." Es habe aber auch andere erfolgreiche Direktoren ohne Vorerfahrung im Theaterbetrieb gegeben. "Und ich denke, Fallen gibt es auch im internationalen Feld, wo er ja viel Erfahrung hat." Für die Wiener Philharmoniker halte er die Wahl jedenfalls für "eine gute Ausgangsposition: Das Orchester kennt und schätzt ihn."

Mit Bogdan Roščić werde ein "sehr gebildeter, kreativer und extrem umsetzungsstarker Gestalter mit größtem intellektuellen Ehrgeiz" die Wiener Staatsoper ab 2020 übernehmen, streute Ö3-Chef Georg Spatt seinem einstigen Vorgänger und Kollegen in einer Stellungnahme Rosen. Er sieht Roščić für die künftige Aufgabe als Staatsoperndirektor jedenfalls gerüstet: "Er will etwas bewegen und er ist dabei sicher nicht immer und nicht für jeden bequem – ganz im Gegenteil – und genau das zeichnet ihn als Manager für Organisationen, die einem starken Wandel unterliegen, aus."

Peter Paul Skrepek, Präsident der heimischen Musikergilde, meinte Bezug auf die Kritik von heimischen Künstlern an Roščić als Ö3-Leiter Ende der 1990er nehmend: "Bogdan Roščić spielte schon den Antagonisten der Popmusiker aus Österreich perfekt. Gratulation! Er stellt seine Auftraggeber zufrieden. Ein treuer Diener seines Herrn."

Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der Österreichischen Musikwirtschaft (IFPI), sagte über den künftigen Staatsoperndirektor: "Bogdan Roščić ist ein Musikmanager modernen Stils, bestens vernetzt in der Opernwelt und ein starkes Zukunftssignal für die Wiener Staatsoper." Und auch beim Noch-Arbeitgeber gab es lobende Worte: "Bogdan Roščić ist ein herausragender Manager und kreativer Kopf", kommentierte Dietmar Lienbacher, Chef von Sony Music Austria, die Entscheidung. "Auf der einen Seite ist es schade für Sony Music, auf der anderen Seite bin ich überzeugt, dass er die Qualitäten hat, die Wiener Staatsoper auf eine neues Level zu heben."

Über eine "Skandal-Bestellung" und "Entwürdigung der Wiener Staatsoper" empört sich FPÖ-Kultursprecher Walter Rosenkranz. Es gehe nicht an, dass eine Person ohne berufliche Erfahrung mit dem Musiktheater Leiter eines der führenden Opernhäuser der Welt und Aushängeschild der Kulturnation Österreich werde, so Rosenkranz in einer Aussendung. Der FPÖ-Abgeordnete hob die "hervorragende Auslastung" der Wiener Staatsoper hervor, Direktor Dominique Meyer habe beste Kontakte zu den Akteuren gehabt. "Jetzt werden wir erleben, wie (das von Roščić Schwester Dodo moderierte ORF-Format, Anm.) Taxi Orange und ähnliche Elemente in der Wiener Staatsoper Einzug halten. Vielleicht sitzt Roščić demnächst auch noch als Juror in einer Opern-Starmania". Aus freiheitlicher Sicht könne eine solche Bestellung nur als untaugliches Element gesehen werden, mit dem die Kulturnation Österreich um einen Teil mehr abgewirtschaftet werde.

Der Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl, gratuliert dagegen Roščić und bezeichnete dessen Bestellung als "außergewöhnliche Wahl eines kreativen Kopfs aus der Kulturbranche". "Ich kenne Bogdan Roščić noch aus dem ORF. Er hat schon dort bewiesen, dass er einer der kreativen Köpfe der Kulturbranche ist. Mit ihm kommt frischer Wind in die Staatsoper, die sich auf eine Neuausrichtung freuen darf. Als Quereinsteiger ist der ehemalige Ö3-Chef eine außergewöhnliche, aber eine gute Wahl", so Zinggl in einer Aussendung. (APA, 21.12.2016)