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Als Folge der Sanktionen werden weniger Äpfel nach Russland exportiert. Sonst gibt es nur wenig Schaden für Europas Wirtschaft.

Foto: Reuters/Korniyenko

Die EU-Mitgliedsstaaten haben diese Woche einstimmig beschlossen, die Sanktionen gegen Russland, die 2014 nach der Annexion der Krim und der De-facto-Besetzung der Ostukraine verhängt wurden, um weitere sechs Monate zu verlängern.

Das ist gut so. Denn eine Nichteinigung hätte die EU in ihrer Außenpolitik massiv geschwächt und Wladimir Putin, der dank der erfolgreichen Wahlhilfe für Donald Trump auf einer Erfolgswelle schwimmt, einen weiteren Triumph verschafft.

Aber unter der Oberfläche brodelt es unter den EU-28. Zahlreiche Staaten, von Italien bis Bulgarien, wollen die Sanktionen möglichst rasch beenden und stimmten nur zu, um einen offenen Streit zu vermeiden. Die Sanktionen werden immer mehr zum Spaltpilz für die Union.

Kaum ein Schaden für die Wirtschaft

Dabei ist das von den Gegnern am häufigsten vorgebrachte Argument, dass die Maßnahmen der Wirtschaft schaden, nicht stichhaltig. Die Folgen für die europäische Gesamtwirtschaft sind gering, denn Russland ist für die meisten Länder kein besonders wichtiger Handelspartner. Und die meisten Güter können weiterhin nach Russland exportiert werden, selbst Investitionen finden weiterhin statt. Frühere Prognosen von massiven Verlusten durch die Sanktionen haben sich nicht bewahrheitet.

Allerdings haben die Sanktionen auch wenig bewirkt. Sie schaden der russischen Wirtschaft mehr als der europäischen, aber deutlich weniger als etwa der Ölpreisverfall. Und Putins innen- oder außenpolitische Position wurde nicht geschwächt – im Gegenteil. Dass sie zu einem vorsichtigeren Vorgehen in der Ukraine beigetragen haben, ist möglich, aber nicht belegt.

Putin, das Opfer

Dafür aber wirken sie wie ein Gift in der europäischen Politik. Sie sind unpopulär, weil sie etwas kosten und wenig wirken, und lassen Putins Russland, das in Europa und dem Nahen Osten als rücksichtsloser Aggressor auftritt, stattdessen als Opfer dastehen.

Wer gegen die Sanktionen argumentiert, kann sich auf Moskaus Seite stellen, ohne sofort als Putin-Versteher zu erscheinen. Man tritt ja bloß für europäische Wirtschaftsinteressen ein. Das sorgt für Unfrieden zwischen den und innerhalb der Staaten und stärkt rechtspopulistische Kräfte wie die FPÖ, die im Schatten der Sanktionenkritik Freundschaftsverträge mit Putins Partei schließt.

Ein Ende wäre wünschenswert

Für die EU wäre ein rasches Ende der Sanktionen deshalb wünschenswert. Doch das wäre auch ein großes Entgegenkommen gegenüber Moskau, das nicht ohne eine adäquate Gegenleistung geschehen sollte. Allerdings hat Putin kaum Interesse an Zugeständnissen etwa in der Ukraine, weil die Sanktionen ja ihm persönlich wenig schaden.

Sollten die USA unter Trump ihrerseits die Sanktionen beenden, könnte die EU nachziehen. Doch dann würde das wieder die von Russland verbreitete Mär bestärken, dass die Sanktionen nur eine amerikanische Verschwörung waren, der sich Europa unterordnen musste. Gerade wenn Trump den einst vereinbarten Weg verlässt, müsste die EU zeigen, dass sie nicht zur Versöhnung mit Russland bereit ist, solange das Minsker Abkommen nicht umgesetzt wird.

Sanktionen sind fast nie erfolgreich

Das Unbehagen mit den Sanktionen ist kein Zufall. Es gibt kaum ein Beispiel von politisch erfolgreichen Sanktionen. Oft wird Südafrika vorgebracht, aber auch für den Fall der Apartheid waren andere Faktoren, vor allem das Ende des Kalten Krieges, entscheidender.

Möglicherweise haben die Iran-Sanktionen zum Abschluss des Atomabkommens beigetragen, weil sie die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den konservativen Mullahs befeuerten. Aber die Enttäuschung über deren langsamen Abbau, der unter Trump völlig zum Erliegen kommen dürfte, gefährdet nun den Nukleardeal.

Placebo für die Politik der Werte

In allen anderen Fällen, sei es Kuba, Serbien oder Saddam Husseins Irak, waren Sanktionen nicht nur wirkungslos, sondern auch kontraproduktiv. Warum greifen Staaten dennoch immer wieder zu diesem Instrument? Weil sie nicht tatenlos zusehen wollen, wenn Völker- und Menschenrechte verletzt werden, aber auch vor härteren Schritten zurückschrecken. Sanktionen sind immer eine Art Placebo für eine Außenpolitik der Werte.

Wenn sie nicht schnell wirken, lässt man sie einfach weiterlaufen – aber je länger es sie gibt, desto größer wird die Uneinigkeit unter den beteiligten Staaten. Und je geringer der Wille zur Beteiligung, desto öfter werden sie umgangen. Sie mögen anfangs ein Zeichen für internationale Solidarität sein, aber später nur noch eine Quelle für Zwist und offene Konflikte.

Mehr Unterstützung für die Ukraine

Rückblickend wäre es besser gewesen, wenn die EU und die USA 2014 keine Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt hätten und stattdessen der Ukraine mehr Unterstützung gegeben hätten – finanziell, politisch und sogar militärisch. Doch das ist kurzfristig politisch kostspieliger, Sanktionen sind zumindest im Augenblick ein billigerer Weg.

Und jetzt gibt es keinen guten Ausweg. Die Sanktionen zu beenden, ohne eindeutige russische Zugeständnisse, wäre falsch, aber sie fortzusetzen ist es auch. Die EU steckt in der selbstgebastelten Sanktionenfalle. (Eric Frey, 21.11.2016)