Der legendäre Ernst Happel machte Frenk Schinkels einst zum österreichischen Teamspieler.

Foto: Robausch

Ein Moment, fast für die Ewigkeit: Schinkels gelingt beim Freundschaftsspiel gegen die Niederlande 1992 ein Kopfballtreffer zum 2:3-Endstand (ab 1:38:00).

pedro nedved

STANDARD: Was sehen Sie als Hauptaufgabe eines Sportdirektors, neben so Offensichtlichem wie der Mannschaftszusammenstellung oder, gerade jetzt beim SKN, der Trainersuche?

Frenk Schinkels: Als ich den Job in St. Pölten noch nicht hatte, habe ich immer das Fehlen einer klaren Linie, einer Fußballphilosophie kritisiert. Eine solche zu entwickeln ist für mich ein wichtiger Teil des Jobs. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass mir das noch nicht zu hundert Prozent gelungen ist. Wir haben den schnellen Erfolg gebraucht. Als ich gekommen bin, waren wir Drittletzter in der zweiten Liga, mit einem Fuß in der Regionalliga.

STANDARD: Was waren Ihre ersten Maßnahmen?

Schinkels: Ich habe Jochen Fallmann und Thomas Nentwich als Betreuer installiert. Mein Vertrauen habe ich mit der Rettung zurückgezahlt bekommen. Die beiden haben dann schon ein recht stabiles mannschaftliches Gerüst hingestellt, das nicht beim ersten Wind wieder umfällt. Als dann Karl Daxbacher gekommen ist, habe ich noch den einen oder anderen älteren Spieler geholt, weil Karl gerne mit einem verlängerten Arm auf dem Spielfeld arbeitet. Das hat funktioniert.

STANDARD: Nach dem Aufstieg wurde das System im Herbst mehrfach verändert.

Schinkels: In dieser Saison wäre es vermessen zu sagen, wir müssen an unserer Philosophie weiterarbeiten. Denn wir kämpfen ums nackte Überleben. Das möchte ich betonen: Wir spielen nicht, wir kämpfen. Entwicklung ist da nur bedingt möglich, es fehlt an der nötigen Ruhe. Spielen geht dann, wenn du befreit bist. Dann kann etwas Schönes herauskommen.

STANDARD: War Ihnen das vorher in dieser Deutlichkeit klar?

Schinkels: Zu hundert Prozent. Wir haben letztes Jahr zwar alles dafür getan, erfolgreich zu sein. Wir waren aber nicht die beste Mannschaft. Wir waren die tüchtigste. Tüchtiger als der LASK, tüchtiger als Innsbruck und Lustenau. Wir haben uns auch das Glück erarbeitet, der Titel war eine Charaktersache.

STANDARD: Kaum jemand wollte glauben, dass dieses Team wirklich Meister werden könnte. Schon gar nicht mit all den Rekorden, die dann aufgestellt worden sind.

Schinkels: Eben. Wie eng es in Wirklichkeit war, sieht man auch an der Statistik. Ich halte nicht immer etwas von Statistik. Aber die Tabelle lügt nicht, und manchmal auch nicht die Statistik. Wir haben zwölfmal 1:0 gewonnen, siegst du nur in ein paar dieser Partien nicht, bist du schon Zweiter oder Dritter. Es war knapp. Darum habe ich gewusst: Wir werden heuer kämpfen müssen. Und es muss alles passen.

STANDARD: Warum hat es mit Karl Daxbacher dann nicht mehr gepasst? Viele waren überrascht von der Trennung.

Schinkels: Wir wussten, dass das Jahr schwer wird. Da muss jeder, der in einer Führungsposition ist, mit positiver Energie und breiter Brust vorangehen. Karl aber war nicht überzeugt, dass wir es mit dieser Mannschaft schaffen können. Aber wir alle schon. Fallmann war ein loyaler Assistent bei Karl, aber er denkt ganz anders. Darum habe ich ihm auch die Chance gegeben zu zeigen, dass es besser geht.

STANDARD: Was finden Sie gut an Jochen Fallmann?

Schinkels: Er hat sowohl eine harte Hand als auch die Kumpelmentalität. Er kann diesen schmalen Grat gut gehen. Außerdem ist er am Beginn seiner Karriere und entsprechend leidenschaftlich und hungrig. Er will unbedingt Erfolg und weiß, dass er das nur im Zusammenspiel mit der Mannschaft schaffen kann. Man muss ihr das Vertrauen und den Glauben geben, damit sie ihre Fähigkeiten auch ausschöpft. Das kann er.

STANDARD: Es gab diese Woche Hearings mit verschiedenen Kandidaten für den Trainerjob. Fallmann wurde mit der Aussage zitiert, dass er das Gefühl hat, Sie würden hinter ihm stehen. Können Sie das bestätigen?

Schinkels: Ich bin von seiner Arbeit überzeugt. Ich beurteile nicht unbedingt Ergebnisse, obwohl auch die für ihn sprechen. Ich schaue, wie gearbeitet wird. Und das passt.

STANDARD: Sind Sie, als ehemaliger Spieler und Trainer, nah an der Mannschaft?

Schinkels: Ja. Und wenn ich etwas sehe, das mir nicht gefällt, dann reagiere ich. Nicht schnell, aber rechtzeitig. Ich spreche jeden Tag mit den Trainern, schaue mir das Training an. Wir sind akribisch, arbeiten viel, machen sicher auch Fehler. Obwohl ich mittlerweile seit 31 Jahren in Österreich glücklich bin, bleibe ich Fußball-Holländer. Das heißt auch: Ich bin Realist. Ich kann nach Siegen kritisieren, wenn es nicht das Gelbe vom Ei war, und nach Niederlagen positiv sein. Wir haben hier das erste Spiel gegen die Austria verloren, aber gut gespielt. Auch gegen Rapid. Das habe ich auch noch mit Karl so angesprochen, dass man da nicht die Nerven wegschmeißen muss.

STANDARD: Wie geht es Ihnen bei den Matches? Direkten Einfluss können Sie ja nicht nehmen.

Schinkels: Ich bin jetzt in einer Phase, in der ich nervöser bin als früher als Trainer. Mir ist es damals oft nicht gut gegangen in der Nacht. Jetzt baue ich wieder so viel Spannung auf. Als Spieler oder Trainer kannst du das wenigstens manches Mal hinausschreien, als Sportdirektor musst du brav sein. Ich gehe dann während eines Spiels eine Viertelstunde ins Büro, schaue dort und komme dann wieder hinaus. Der Druck ist schon groß. Wir wissen, was alles auf dem Spiel steht.

STANDARD: Als Sie beim SKN begonnen haben, war das Ihre erste Station als Sportdirektor. Hatten Sie Zweifel, ob das Ihre Kragenweite ist?

Schinkels: Ich habe in Kärnten und bei Krems schon Erfahrung in ähnlichen Funktionen gesammelt. Ich habe die holländische Fußballschule durchlaufen, war Profi, auch erfolgreich Trainer. Ich konzentriere mich auf den sportlichen Bereich, da kenne ich mich aus. Natürlich kommt einiges dazu, du musst dich mit Managern, Anwälten und Spielerberatern auseinandersetzen. Da entwickelt man sich schon weiter. Es bis zu einem gewissen Grad auch Learning by Doing. Aber ich liebe den Job und gebe sicher nicht auf, wenn es schwierig wird.

STANDARD: War es schwierig, die Mannschaft im Sommer zu verstärken?

Schinkels: Ja. Wir müssen kleine Brötchen backen, kontinuierlich besser werden. Von Summen, die andere für Transfers ausgeben, können wir nur träumen. Die Vorbilder sind Ried, WAC und Altach. Die drei Holländer sind kostenlos gekommen, wobei Jeroen Lumu uns im Winter wieder verlassen wird. Holländer sind im Vergleich zu früher günstig zu bekommen, weil es dort zu viele Spieler gibt. Kai Heerings und Kevin Luckassen haben Qualität. Luckassen hat mit Slovan Liberec Europa League gespielt, war aber wegen rassistischer Beschimpfungen nicht mehr motiviert und ist zu uns gekommen. Er hat aber noch nicht so eingeschlagen. Wir hoffen, dass das bald anders wird. Bei Heerings ist es so, dass er noch zu sehr holländischer Verteidiger ist. Er sucht die spielerische Lösung und hat Anpassungsprobleme an die Art, wie in Österreich verteidigt wird. Er muss sich durchbeißen, um seinen Job kämpfen. Und das wird er auch.

STANDARD: Sind Sie unter dem Strich mit dem Resultat Ihrer Transferpolitik zufrieden?

Schinkels: Ich glaube schon, dass ich der Architekt bin. Ich habe Thürauer zurückgeholt, auch Dober. Mader ist gekommen. Schütz spielt, Perchtold spielt, Pirvulescu spielt. Das sind keine Leute, mit denen du Champions League spielst, das weiß ich auch. Ich muss kreativ sein, das versuche ich.

STANDARD: Ist es nicht gerade jetzt besonders wichtig, die Klasse zu halten? In der reformierten zweiten Liga mit Halbprofitum dürfte es für einen ambitionierten Verein noch schwerer werden, Perspektiven zu entwickeln.

Schinkels: Ich war in der Arbeitsgruppe zur Ligareform, konnte mich einbringen. Die höchste Klasse mit zwölf Klubs finde ich gut. Für die zweite Division mit 16 Mannschaften sehe ich schwarz. Da dürfen wir nicht hinein. Nur wenn wir oben bleiben, können wir etwas aufbauen.

STANDARD: Gesetzt den Fall, der Klassenerhalt gelingt: Wohin soll sich der SKN mittelfristig entwickeln?

Schinkels: Wir wollen ins obere Playoff, also unter die ersten sechs. Das ist das höchste der Gefühle. An Salzburg, Rapid, Austria und Sturm werden wir nicht vorbeikommen. Altach macht es jetzt auch gut. Von den übrigen fünf wollen wir dann der Erste sein.

STANDARD: Ist der Klub in der Stadt und der Region gut verankert, oder gibt es da noch Luft nach oben? Zuletzt hatte man den Eindruck, dass die Stimmung recht schnell ins Negative gekippt ist.

Schinkels: Das hat uns gewundert. Auch was die Zuschauerzahlen betrifft. Es gibt aber in ganz Österreich eine Tendenz nach unten. Ich behaupte, das liebe Fernsehen ist schuld. Wenn du am Mittwoch in der Nacht ein Spiel ansetzt, dann werden nicht viele kommen. Wir sind auch kein Traditionsverein. Es gab drei Insolvenzen in St. Pölten, vielleicht spielt auch das noch eine Rolle. Die Leute sind nicht mehr so schnell euphorisch. (Michael Robausch, 20.12.2016)