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Foto: Reuters/Franciszek Mazur

Warschau – Hunderte Demonstranten haben in der Nacht auf Samstag das polnische Parlament blockiert und führende Politiker der Regierungspartei stundenlang am Verlassen des Gebäudes gehindert. Nach einer Demonstration vor dem Parlament in Warschau blockierten Protestteilnehmer alle Ausgänge des Gebäudes.

Neben Regierungschefin Beata Szydlo und dem Chef ihrer Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), Jaroslaw Kaczynski, saßen auch mehr als 200 Abgeordnete der nationalkonservativen Regierungsmehrheit fest.

Berichterstattung wird eingeschränkt

Am Freitagabend hatten tausende Menschen zunächst vor dem Parlamentsgebäude gegen eine geplante Neuregelung der Berichterstattung aus dem Parlament protestiert. Demnach sollen Journalisten künftig keine Fotos oder Videos mehr im Plenarsaal machen dürfen. Die Demonstration richtete sich später auch gegen die Annahme des Budgets für 2017. Diese erfolgte am Freitagabend unter Umständen, die die Opposition für illegal erklärte.

Die Abstimmung hatte in einem anderen Saal stattgefunden, weil der Plenarsaal stundenlang von rund 30 Oppositionsabgeordneten besetzt wurde, die gegen das geplante Gesetz zur Parlamentsberichterstattung sind. Die Opposition äußerte Zweifel an der Gültigkeit des Votums, weil einige Abgeordnete wegen des Chaos im Parlament nicht daran hätten teilnehmen können.

Vor dem Parlament waren unterdessen zahlreiche Polizisten im Einsatz. Sie versuchten zunächst vergeblich, Demonstranten abzudrängen und die Blockade zu beenden. Die Oppositionsanhänger riefen Parolen wie "Verfassung", "Freie Medien" und "Ihr kommt hier nicht vor Weihnachten heraus". Gegen Mitternacht schlossen sich ihnen einige Abgeordnete der liberalen Bürgerplattform (PO) an.

Später in der Nacht verließen dann Szydlo, Kaczynski und andere führende PiS-Politiker das Parlamentsgebäude. Unter dem Schutz von Polizisten, die die Demonstranten abdrängten, bahnte sich um kurz vor 3.00 Uhr eine Wagenkolonne mit den Spitzenpolitikern einen Weg durch die Menge.

Anschließend setzten einige der Demonstranten ihren Protest fort. Viele Abgeordnete entschlossen sich, die Nacht über im Parlament zu bleiben.

Medienboykott

Die geplante Einschränkung der Parlamentsberichterstattung verärgert viele. Mehr als 20 polnische Medien boykottierten am Freitag die Parlamentssitzung. Nach der geplanten Neuregelung wäre es nicht länger möglich, Regelverstöße von Abgeordneten zu dokumentieren, etwa wenn ein Parlamentarier für einen abwesenden Kollegen abstimmt.

Reporter sollen den Plänen zufolge ab 2017 nicht aus dem Parlamentsgebäude, sondern aus einem gesonderten Medienzentrum berichten. In den Sejm (Unterhaus) dürften dann nur noch zwei feste Parlamentskorrespondenten pro Redaktion, Ton- und Bildaufnahmen sollen diesen aber nicht erlaubt sein. Dadurch drohe ein eingeschränkter Zugang zu Informationen, warnten Kritiker und polnische Medien. Sie werfen den Regierenden Zensur vor. Die regierende PiS begründet die geplante Neuregelung damit, sie solle Abgeordneten und Journalisten gleichermaßen komfortable Arbeitsbedingungen garantieren. (APA, 17.12.2016)