Von französischen Stadtphilosophien bis Urbanisierung im Süden – fünf Stadtbücher im Fokus, illustriert mit Satellitenaufnahmen des Bildbandes "Cities. Brennpunkte der Menschheit" . (Tanja Traxler, 17. 12. 2016)

Aus der Satellitenperspektive

Wie vielfältig der Lebensraum Stadt in seinen globalen Ausprägungen sein kann, stellt der Bildband Cities – Brennpunkte der Menschheit mit 131 spektakulären Satellitenaufnahmen dar. Die urbanen Bilder werden im Buch durch kurze Texte mit einigen Eckdaten ergänzt.

Die Pensionistenstadt Sun City in Arizona, in der nur Menschen wohnen dürfen, die über 55 Jahre alt sind, zeigt sich dabei als Siedlung einstöckiger Bungalows, die in konzentrischen Kreisen angeordnet sind. In der Satellitenaufnahme von Paris ist in Form von Achsen und Sternen deutlich die Handschrift des Stadtplaners Georges-Eugène Baron Haussmann zu sehen. Als ein strenger geometrischer Raster, in dem die rechten Winkel dominieren – die Autofahrer werden's danken – zeigt sich dagegen die Metropolregion Phoenix in Arizona.

Wie ein abstraktes Kunstwerk in Ocker und Braun stellt sich Timbuktu (siehe Foto oben) dar – wenn man die Handelsstadt in Mali von oben betrachtet. Bei den historischen Bauten dominiert die Lehmbauweise, eingeschlossen ist das Stadtgebiet von der Sahara, an deren Südrand sich Timbuktu befindet. Die prägnanteste Linie im Satellitenbild: der Niger.

Insgesamt sind die Aufnahmen nicht nur ästhetisch ansprechend, sie wirken auf den Betrachter auch emotional und politisch. Sie zeigen etwa das größte Flüchtlingslager der Welt – eine Zeltstadt in Jordanien. Oder Johannesburg: auf der einen Seite die eingezäunte, von Golfplätzen umsäumte Siedlung der Reichen, auf der anderen Seite die dicht besiedelte Township der Armen.

Markus Eisl, Gerald Mansberger, Peter Matzanetz, Paul Schreilechner, "Cities. Brennpunkte der Menschheit". € 49,95 / 256 Seiten, eoVision-Verlag, Salzburg 2016

Foto: CNES 2016, Distribution Airbus DS/ eoVision 2016

Ein Streifzug durch die Stadttheorie

Wie auch immer die Antworten auf den Umgang mit der Integration von Flüchtlingen, dem Klimawandel oder der Ernährungssicherheit lauten werden, sie müssen sich vor allem in einem Umfeld bewähren: in der Stadt. "Städte sind heute der Ort, an dem die wichtigsten Weichenstellungen für die globale Zukunft vorzunehmen sind", schreibt der deutsche Stadtforscher Frank Eckardt im Vorwort des von ihm herausgegebenen Sammelbands zu Schlüsselwerken der Stadtforschung.

Dieser versammelt Aufsätze zu zentralen Texten der Stadtforschung von verschiedenen Autoren. Thematisiert werden etwa das Buch "The Global City" (1991) der US-amerikanischen Soziologin Saskia Sassen, "Slumdog Cities" (2011) der in Indien geborenen Stadtplanungstheoretikerin Ananya Roy und "Das Recht auf Stadt" (1968) des französischen Soziologen Henri Lefebvre. Der Band bietet eine umfassende Einordnung und Einführung, was er vermissen lässt: eine Auswahl der Schlüsseltexte selbst, wohl ein Problem der Abdruckrechte.

Frank Eckardt (Hrsg.), "Schlüsselwerke der Stadtforschung". € 46,25 / 468 Seiten, Springer VS, Wiesbaden 2016

Im Bild: Venedig

Foto: Airbus DS 2016/eoVision

Von Planeten denken lernen

Städte stehen heute vor der Herausforderung, dass sie sich im Kontext des Klimawandels neu denken müssen – dieser Gedanke steht zu Beginn von Marina Albertis Neuerscheinung. Die Professorin am Urban Ecology Research Lab der University of Washington wirft einen ökologischen Blick auf die Stadt von morgen – wobei sie die Zukunftsperspektive nutzen will, um die Gegenwart zu ändern: "Our imagination of the future can transform the way we live in the present."

Da Städte immer mehr Ressourcen bünden, sind sie für Alberti jene Orte, an denen sich die Ökologie des Planeten entscheiden wird. Ihr geht es darum, eine "neue Ethik" der Urbanisierung zu prägen, die sich folgender Maxime verpflichtet: "To build cities that think like planets." Konkret heißt das, die Zeit- und Raumskalen, auf die die Stadtplanung ausgerichtet ist, auf planetarische Skalen auszuweiten: Die Stadtplanung soll nicht bloß das kurzfristige Wohl der Bewohner im Fokus haben, sondern auf lange zeit für den Planeten nachhaltig sein.

Marina Alberti, "Cities That Think like Planets". € 41,77 / 281 Seiten, University of Washington Press, Seattle and London 2016

Im Bild: Barcelona

Foto: CNES 2016, Distribution Airbus DS/ eoVision

Bauanleitung für Wolkenkratzer

Wie baut man ein gigantisches Hochhaus? Warum elektrisieren sich Vögel nicht, wenn sie auf Hochspannungsleitungen sitzen? Woraus besteht Glas? In ihrem Buch versucht die Physikerin und Wissenschaftsvermittlerin Laurie Winkless diverse Fragen zu beantworten, die man sich als Stadtbewohner oder -besucher stellen könnte. Folglich ergeben sich Exkurse wie etwa zu den physikalischen Grundlagen der Elektrizität, die man zwar nicht in einem Stadtbuch erwarten würde.

Winkless' kurzweilige Erzählweise erweist sich aber über weite Strecken als mitreißend genug, um einen davon zu überzeugen, dass man all diesen Ausführungen auch tatsächlich folgen muss, um einen Überblick über die wissenschaftlichen Fundamente der Stadt zu erlangen. Die Stadt, um die es hier geht, meint zumeist eine moderne Stadt mit imposanten Hochhäusern samt vertikalen Gärten entlang der Fassaden. Das ist zwar nicht der Prototyp, wie sich Urbanisierung weltweit abspielt, aber immerhin ein ergiebiges Studienobjekt.

Laurie Winkless, "Science and the City. The mechanics behind the metropolis", € 19,43 / 298 Seiten, Bloomsbury, London / New York 2016

Im Bild: Mexiko-Stadt

Foto: ESA 2016/ eoVision

Wie ein globaler Stadtspaziergang

Warum braucht es, bei allem, was schon über die Stadt geschrieben worden ist, überhaupt noch ein weiteres Buch dazu? Diese Frage stellt sich Einhard Schmidt-Kallert in seinem Stadtbuch und bietet darauf eine selbstbewusste Antwort an: "Es ist mein subjektiver Blick auf das Thema." Dieser Blick ist der eines Sozialgeografen, Raumplaners und Entwicklungshelfers; in seinem Fokus steht die Urbanisierung in den ärmeren Regionen der Welt, dem sogenannten "Globalen Süden", auch unter dem aus der Mode gekommenen Begriff "Dritte Welt" bekannt.

Schmidt-Kallerts Versuch, Verstädterung im Süden aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten, indem er etwa sowohl die Geschichten von Zuwanderern als auch die Strategien von Stadtplanern, Politikern und NGOs darstellt, liest sich wie ein globaler Stadtspaziergang: Schlaglichter auf verschiedenste Phänomene ergeben ein mannigfaltiges Bild, was Urbanisierung alles heißen kann, das sich nicht auf eine These reduzieren lässt.

Einhard Schmidt-Kallert, "Magnet Stadt. Urbanisierung im Globalen Süden". € 19,90 / 176 S., Peter-Hammer-Verlag, Wuppertal 2016

Im Bild: Bahrain

Foto: CNES 2016, Distribution Airbus DS/ eoVision