Eine Vereinbarung über eine Feuerpause und den Abzug von Kämpfern, die sich erst einmal als undurchsetzbar erweist: Was seit Dienstabend in Aleppo vor sich geht, ist ein Lehrbeispiel für das schwierige Management von militärischen Zweckbündnissen sehr unterschiedlicher Akteure. Und es ist ein Vorgeschmack auf das, was man an weiteren nahöstlichen Kriegsschauplätzen erleben könnte, an denen die Fraktionierung noch viel stärker ist, etwa in Mossul. Wenn sich zwei etwas ausmachen und der Dritte und der Vierte zustimmen, muss das noch lange nicht für den Fünften und den Sechsten gelten.

Für den Beobachter von außen stellte sich gerade Aleppo stets als relativ einfach strukturierte Auseinandersetzung dar: "Assad" gegen "Rebellen" (oder auch "Terroristen") mit dazugehörenden "Zivilisten". In differenzierteren Darstellungen wird erwähnt, dass die Rebellenszene sehr disparat ist. Aber jetzt wird auf einen Schlag vorgeführt, dass auch die Pro-Assad-Kräfte zwar gemeinsam kämpfen, aber verschiedene Auffassungen über die taktischen und wahrscheinlich auch strategischen Ziele haben.

Russland – als Vertreter des Assad-Regimes – hatte am Dienstag mit der Türkei – als Vertreterin eines Teils der Rebellen – eine Abmachung über das Ende der Kampfhandlungen geschlossen. Dass alle anderen an der Schlacht um Aleppo Beteiligten mitziehen würden, hat sich als zu kühne Hoffnung erwiesen. Ein Pakt mit ungenauen Umsetzungsvorgaben und gar keinen Durchsetzungsmechanismen ist in der Tat fast chancenlos.

Natürlich beschuldigten am Mittwoch einander die beiden großen Lager, die Feuerpause zuerst gebrochen zu haben: Russland zeigte auf die Al-Kaida zugerechnete Nusra-Front, die Rebellen auf nicht näher spezifizierte Regimekräfte. Ausschlaggebend für das Scheitern war aber die Weigerung schiitischer Milizen, den Abzug der Rebellen bedingungslos zu akzeptieren. Ihre aussichtslosen Forderungen bezogen sich auf zwei seit eineinhalb Jahren von Rebellen belagerte schiitische Dörfer, die es nur selten in die Nachrichten schaffen, al-Foua und Kefraya.

Außer der libanesischen Hisbollah stehen die Schiitenmilizen, in deren Reihen Iraker, Afghanen und Pakistaner kämpfen, unter iranischem Kommando. Teheran zeigte wenig Lust, prompt dafür zu sorgen, dass einem russischen Arrangement mit den Türken – mit denen die iranischen Spannungen steigen – Folge geleistet wird.

Für die Iraner hat Aleppo als Entscheidungsschlacht für die "Achse des Widerstands" im Nahen Osten eine große strategische und ideologische Bedeutung. Moskau hingegen wollte den Kampf um Aleppo tatsächlich frühzeitig beendet sehen: An der Propagandafront waren die Russen angesichts des Leidens der Zivilbevölkerung bereits die klaren Verlierer. Die überlebenden Rebellen können und werden auch woanders – in Idlib – weiter bekämpft werden: vielleicht verbunden mit russischem Druck auf Assad, dessen Bäume nicht in den Himmel wachsen sollen. (Gudrun Harrer, 14.12.2016)