Die Seestadt Bregenz. An der Seestraße (Bild unten) gibt es eine geschlossene Front von 220 Metern.

Foto: Berger

Bregenz – Es brodelt in der Vorarlberger Landeshauptstadt. Ausgelöst durch die Architekteninitiative "See und Stadt und Bregenz", die eine Nachdenkpause beim Projekt Seestadt fordert, wird intensiv über die künftige Entwicklung der Stadt diskutiert. Auf einem zentralen, seenahen Grundstück soll zwischen Zentrum und Bahnhof nicht wie geplant eine dreiteilige Bebauung mit gemischter Nutzung entstehen, sondern ein zum See hin geschlossenes Einkaufszentrum mit 14.000 Quadratmeter Verkaufsfläche.

Die Verbauung ohne Durchsichten und Durchlässe zur Seestraße widerspreche dem Masterplan und habe nichts mehr mit dem Siegerprojekt des Architekturwettbewerbs gemein, lautet ein Kritikpunkt. Ein weiterer: Öffentliche Interessen würden privaten untergeordnet.

Politik verweigert Diskussion

Die Debatte müssen Bürgerinnen und Bürger jedoch ohne Projektbetreiber und politisch Verantwortliche führen, denn Betreiber Prises (Projektentwickler Prisma und Spar) wie auch die Stadtführung verweigern sich der Diskussion. Er sei Behörde und könne zu einem laufenden Verfahren nichts sagen, lehnte Bürgermeister Markus Linhart (ÖVP) die Einladung der "Vorarlberger Nachrichten" zu einer öffentlichen Diskussion vergangene Woche ab. Aus dem gleichen Grund durfte auch keiner der Stadtplaner teilnehmen.

Schwarz-grünes Schweigen

Ebenfalls in Schweigen hüllt sich die grüne Vizebürgermeisterin Sandra Schoch, zuständig für Stadtplanung und Mobilität. Für die Grünen hatte der damalige Vizebürgermeister Gernot Kiermayr 2009 formuliert: "Unser wichtigstes Anliegen ist die Durchlässigkeit des neuen Areals für Radler und Fußgänger." Ob die Durchlässigkeit auch beim geänderten Projekt gegeben ist, haben die Grünen noch nicht verraten. Besorgt um den Koalitionsfrieden, schweigen sie gemeinsam mit der Volkspartei.

Wirtschaft ist skeptisch

Stellung bezogen hat bei der Diskussion der "Vorarlberger Nachrichten" jedoch die Bregenzer Wirtschaft. Mit den Architekten Markus Thurnher und Hermann Kaufmann, die eine Nachdenkpause und die Übernahme von Verantwortung für die Stadtentwicklung durch die Politik forderten, diskutierte der Obmann der Bregenzer Wirtschaftsgemeinschaft, Clemens Sagmeister, vor rund 200 Menschen, darunter zahlreiche Wirtschaftstreibende.

Er sei wie viele Bregenzerinnen und Bregenzer gespalten, sagte Sagmeister. Er sehe einerseits durch das neue Einkaufszentrum kurzfristigen Nutzen für die lokale Wirtschaft. Man brauche Frequenzbringer in der Stadt, langfristig gesehen würde das Projekt laut Sagmeister aber einen weiteren Keil zwischen Stadt und See treiben.

Wie die Architekteninitiative regt der Unternehmer gründliches Nachdenken an: Stadtentwicklung sei ein langfristiger Prozess, man solle sich Zeit lassen. Das Grundstück sei seit Jahrzehnten Parkplatz und könne es auch noch bleiben. So lange, bis man eine Lösung für die Neuorganisation von Bahn und Straßenraum gefunden habe. Sagmeister nahm Bezug auf die nunmehr siebenjährige Planungsphase des Projekts: "Ich glaube nicht, dass das Projekt kurz vor der Realisierung steht. Es ist zu teuer, nur schwer finanzierbar."

Stadt legt Pläne vor

Die Stadt will am 20. Jänner gemeinsam mit den Seestadt-Betreibern die Pläne offenlegen und Einblick in den Planungsprozess geben. Bisher sind die aktuellen Pläne unter Verschluss und werden nur einzelnen Interessierten auf Anfrage in der Prisma-Zentrale gezeigt. Die Baugenehmigung erwarten sich die Betreiber noch dieses Jahr. Nicht auf dem Programm des Informationsnachmittags stehen die Vorstellungen der Stadtpolitiker über die langfristige Entwicklung ihrer Stadt. (Jutta Berger, 14.12.2016)