Durchflussverfahren, bei denen Wirkstoffe pausenlos durch Reaktoren fließen, bieten Produktionsvorteile in der Pharmaindustrie.

Foto: Universität Graz/ Bartholomäus Pieber

Graz – Man füllt ein Gefäß mit Ausgangsstoffen, lässt diese reagieren, entleert und reinigt den Behälter und führt das Reaktionsprodukt dem nächsten Verfahrensschritt zu: Seit sich Menschen mit Chemie beschäftigen, wird ein Großteil ihrer Produkte nach diesem Grundprinzip – heute Batch-Verfahren genannt – hergestellt. Doch in der Pharmaindustrie kündigt sich ein Umbruch der Produktionsverfahren an, berichtet Oliver Kappe vom Institut für Chemie der Karl-Franzens-Universität Graz. "In den vergangenen 15 Jahren wurde klar, dass kontinuierliche Durchflussverfahren in der Pharmabranche große Vorteile haben können."

Diese Art der Produktion, die einen pausenlosen Durchfluss der Wirkstoffe durch Reaktoren vorsieht, deren Produkte dann direkt dem nächsten Prozessschritt zufließen, war bisher nur bei großen Volumina wie in der Erdölindustrie verbreitet. Das K-Projekt CC Flow (Center for Continuous Flow Synthesis and Processing), das im Rahmen des Comet-Programms der Förderagentur FFG vom Wissenschafts- und Technologieministerium finanziert wird, soll dem Trend zu kontinuierlichen Prozessen in der Pharmazie Rechnung tragen.

Das "Research Center Pharmaceutical Engineering" (RCPE), ein bestehendes K1-Zentrum des Comet-Programms in Graz wird als Konsortialführer gemeinsam mit der Uni Graz, der Technischen Uni Graz und Wirtschaftspartnern in dem Mitte 2017 startenden Projekt kooperieren. Wissenschaftlicher Leiter wird Kappe sein.

Millimetergroße Reaktoren

Neben Zeitersparnis und höherer Wirtschaftlichkeit ist Sicherheit ein Vorteil der Durchflussreaktoren: Die Flüssigkeiten oder Gase werden durch millimeterdünne Rohrleitungen in der richtigen Geschwindigkeit durchgepumpt, um innerhalb von Millisekunden reagieren zu können. Das Sicherheitsrisiko bei instabilen und explosiven Zwischenstoffen – etwa bei der Arbeit mit reinem Sauerstoff – ist hier viel geringer als in 800-Liter-Reaktoren.

Zudem ist die Reaktionstemperatur bei diesen Dimensionen viel besser steuerbar als in großen Kesseln, in denen inhomogene Wärmeverteilungen schwer zu verhindern sind. "In der Flow-Chemie werden Reaktionen möglich, die im Batch-Verfahren gar nicht umsetzbar wären", sagt Kappe.

Die kleinen Kanäle und Reaktoren können in speziellen Chips integriert werden, wobei mehrere parallel arbeiten, um größere Outputmengen zu erreichen. Dagegen soll die Möglichkeit der Durchflusschemie, mehrere Prozesse in Serie zu schalten, Zeit sparen: "Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) konnten bereits Prozesse gezeigt werden, die bis zur finalen Darreichungsform einer Tablette reichen", so Kappe.

Auf den Chips kann auch die nötige Sensorik integriert werden. "Faktoren wie Reinheit oder Konzentration eines Wirkstoffs müssen gemessen werden können, während der Durchflussreaktor läuft", skizziert der Wissenschafter eine Problematik bei der Entwicklung von Durchflusssystemen. Kleinste Sensoren, die exakte Daten über die Reaktionen liefern, werden auch im Projekt CC Flow ein großes Thema sein.

An der Uni Graz hat Kappe mit Kollegen bereits Flow-Prozesse für die Entwicklung von Schmerzmitteln aus Opiaten entwickelt. Die Methode, die eine bestimmte Methylgruppe mit Hilfe von Palladium und Sauerstoff vom Naturstoff abspaltet, wurde vom US-Wirtschaftspartner bereits mit zwei Patenten geschützt. (pum, 17.12.2016)