Wenn die Lebkuchendiät längst versagt: Marissa Nadler massiert am Donnerstag die Mollgefühle ihres Publikums im Wiener Fluc.

Foto: Fluc

Wien – Oh, wie drückt einem der November aufs Gemüt. Und das noch im Dezember. Der Nebel, das Dunkel, das kurze Licht, die Kälte, ach. Wer sich mit Lebkuchen- und Punschdiät allein nicht mehr zu trösten vermag, für den bietet am Donnerstag das Wiener Fluc Verständnis und Anteilnahme in Gestalt der Marissa Nadler.

Wobei, ob das mit dem Trost und dem Rat tatsächlich hinhaut, bleibt offen. Eine akustische Lichttherapie stellt der Auftritt der US-Chanteuse nicht gerade in Aussicht. Zählt sie doch zum Fach der singenden Trauerweiden. Musik wie zartbitter Schokolade.

Nie ihre Contenance verlierend, singt sie mit gestrecktem Rücken über verflossene Liebe, unerfüllte Sehnsüchte, verflossene Liebe, den ganzen Moll-Scheiß. Selbstzerfleischung mit Stil. Masochismus in der Benimmschule. Nadler könnte sich ein Buch auf den Scheitel legen, während sie ihre einnehmenden Songexorzismen ins Mikro haucht, und darauf noch eine Sektschale stellen.

Nick Cave als Frau minus Zorn

Ein gutes Dutzend Alben mit derlei Stoff hat die 35-Jährige seit 2004 veröffentlicht. Friedhofsgeeichte Streicher umrahmen oft ihre Balladen, Keyboards verströmen Wärme, während Nadler ihre Themen seziert. Nick Cave als Frau minus Zorn.

Sollte die aus Washington, D.C., stammende Musikerin solchen verspüren, dann geizt sie damit ganz vorzüglich. In ihrem Werk taucht er nicht auf. Das Schöngeistige im Elend suchen und finden ist natürlich eine hohe Kunst, Nadler diesbezüglich eine erfolgreiche Frau, die sich selbst an Vorbildern wie der biografisch tragischen Karen Dalton, selig, orientiert. Die Tindersticks haben sich ihrerseits als Bewunderer geoutet, eine Überraschung ist das nicht. Betrachten diese bärtigen Trauerweiden die Welt doch aus derselben Perspektive.

Aktuell tourt sie, um die Veröffentlichung ihres letzten Albums "Strangers" zu promoten. Aus dem Album stammt ein Gutteil ihrer Setlist, möglicherweise fügt sie ein paar Coverversionen ein. Auf dem Feld hat sie einiges zu bieten: von Echo & the Bunnymen über Leonard Cohen bis zu Glenn Danzig. Im Vorprogramm spielt Jess Williamson. (Karl Fluch, 14.12.2016)