Graz – Windparks in Nordeuropa für Stromkunden in Deutschland, riesige Solarflächen in Nordafrika für Verbraucher in Europa: Doch der Strom muss auch zum Kunden kommen. Leistungsfähige Leitungen, die weit voneinander entfernte Gebiete miteinander verbinden, werden immer wichtiger. Im Nikola-Tesla-Labor an der TU Graz werden Komponenten der entsprechenden Hochspannungstechnik auf Herz und Nieren geprüft.

Ein Unterwasserkabel zwischen Australien und Tasmanien: Die Ingenieure des Instituts für Hochspannungstechnik und Systemmanagement an der TU Graz haben unter anderem untersucht, ob das Kabel die Spannungen, für die es gedacht ist, auch aushält. Dabei wurden Prüfspannungen von mehr als einer Million Volt angelegt. Mithilfe einer Wechselspannungsanlage mit 1,5 Millionen Volt, einer fahrbaren Gleichspannungsanlage mit ebenfalls bis zu 1,5 Millionen Volt und einem Stoßspannungsgenerator mit 3,25 Millionen Volt führen die Grazer Techniker Prüfungen an u.a. Kabel- und Leitungstechnologien, Transformatoren, Schalter und Schaltanlagen oder auch Isolatoren oder Isoliersystemen für die Übertragungsnetzwerke durch.

Schauplatz der Spannungstests, thermischen Belastungstests und Höchstspannungsprüfungen ist die sogenannte Hochspannungshalle in Graz – das Nikola-Tesla-Labor: Ein schlichtes würfelförmiges, fensterloses Gebäude am Campus Inffeldgasse der TU Graz. "Wir haben weltweit einzigartige Prüfungsmöglichkeiten, und dass wir kein Industrielabor sind, sondern einer Universität angehören, ist neben unserem Know-how Grund dafür, dass sämtliche große Namen der internationalen Elektrizitätswirtschaft bei uns vertrauensvoll ihre Prototypen prüfen lassen", schilderte Rudolf Woschitz bei einer Führung durch das Labor.

Berühmte Namenspatron

Benannt ist die Hochspannungshalle nach dem vor 160 Jahren geborenen berühmten Elektrotechniker, der unter anderen Wechselstrom-Transformatoren und -Motoren erfand und Mitarbeiter und späterer Konkurrent von Thomas Alva Edison wurde. Der 1856 im heutigen Kroatien geborene Tesla hat mit seinen Ideen die Grundlagen für die Stromversorgung gelegt, studiert hat er zwischen 1875 und 1878 an der damaligen Technischen Hochschule in Graz. Im Jahr 1937 wurde ihm in Graz der Ehrendoktortitel der Technischen Wissenschaften verliehen.

Das Tor zur 21 Meter hohen Prüfhalle aus den 1970er-Jahren hat eine Fläche von rund 200 Quadratmeter. "Die architektonische Ausführung der Halle war übrigens Vorbild für das Pariser Centre Pompidou", schilderte Woschitz en passant. Im Inneren können Studierende und immer wieder auch Schüler die Hochspannungsexperimente abgeschirmt und gefahrenlos in einem Faradayschen Käfig mitverfolgen.

Und auch wenn es die Wissenschafter so richtig blitzen lassen, ist auch ihre Hellhörigkeit gefragt: "Freileitungen verursachen beispielsweise bei feuchtem Wetter, Nebel oder Nieselregen Geräusche. Auch wenn sie das nur zu rund drei Prozent des gesamten Jahres machen, dürfen sie dabei bestimmte Lärmwerte nicht überschreiten", wie Institutsleiter Uwe Schichler darlegte. "In einem Projekt mit Austrian Power Grid und weiteren Kooperationspartnern haben wir untersucht, wie man die Leitungen leiser machen könnte", sagte Schichler. Es habe sich gezeigt, dass der Einbau von Kunststoffröhrchen als Füllelement bei den Leitungsseilen – und damit ein neuer Seilaufbau – den Betrieb der Leitung deutlich leiser machte.

Belastbare Leitungen

Auch die Lebensdauer von Hochspannungskabeln wird in Graz getestet. Die rigiden Prüfprogramme würden sich teilweise über ein ganzes Jahr erstrecken, schilderte Woschitz. Forschungsschwerpunkt von Stephan Pack ist wiederum die Modellbildung von Hochspannungsnetzen: "Neben den Betriebsbelastungen sind Hochspannungsnetze weiteren Belastungen durch Schalthandlungen, ungewollte Fehler oder auch Blitzeinschläge in die Leiterseile ausgesetzt", erläuterte Pack. Er führt mithilfe von numerischen Computermodellen Berechnungen durch, um jene Spannungsbeanspruchungen, denen Hochspannungsnetze bei Blitzschlag ausgesetzt sind, nachzubilden. (APA, 18.12.2016)