Wien – Die Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelten schreitet unaufhaltsam voran. Für Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) ist es daher auch keine Frage, ob man bei der Entwicklung dabei sein will oder nicht. Es gehe darum, ob man nur mitschwimme oder vorangehe. Vorangehen sei angesagt. Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske fordert neue Formen der Weiterbildungsmöglichkeiten.

Beweis fürs Vorangehen soll unter anderem die Plattform Industrie 4.0 sein. Sie unterstützt Firmen beim Umstieg auf Digitalisierung. Bei einer Pressekonferenz vor dem heutigen "Summit Industrie 4.0" dieser Plattform formulierten Leichtfried, Kaske und die Obfrau des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), Brigitte Ederer, zahlreiche Forderungen. Deren Umsetzung sei nötig, damit die vielen potenziellen Vorteile aus den Umwälzungen der digitalen Ära voll nutzbar werden. Einig waren sich die drei Proponenten mit dem Vorstandschef der Plattform, Kurt Hofstädter, darüber, dass schlussendlich zumindest ein Nullsummenspiel zwischen wegfallenden und neu entstehenden Jobs drin sei. Leichtfried hofft auch auf viele gut bezahlte höherqualifizierte Arbeitsplätze.

Vieles, was lange Zeit selbstverständlich war, sei neu zu regeln, so Kaske. Es brauche für die digitale Zukunft Qualifizierungsmaßnahmen für die Arbeitnehmer. "Eine Industrie-4.0-Kompetenz gibt es aber nicht, es ist ein Bündel an Kompetenzen." So würde die Bedeutung von Planungs-, Organisations-, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit steigen. Dazu kämen berufliches und betriebliches Erfahrungswissen sowie Online-Kompetenz – "und dazu braucht es die Rahmenbedingungen, um die Kompetenzen zu erwerben".

Also schlägt Kaske vor, das Fachkräfte-Stipendium, die Bildungskarenz und -Teilzeit durch eine "neues Qualifikationsgeld" zu ersetzen. Das Recht auf Weiterbildung müsse so gestaltet sein, dass eine sichere Existenz auch bei einer längeren Weiterbildungsphase möglich ist, so der AK-Präsident. Er ist für ein "einfacheres System zur Finanzierung des Unterhalts als derzeit" bei Weiterbildungen. Es gehe darum, "deutlich besser dem digitalen Wandel zu entsprechen". Weitere Forderung Kaskes ist das "Recht auf eine bezahlte Weiterbildungswoche pro Jahr" – ob geblockt, einzeln, innerhalb oder außerhalb des Betriebes. Auch müsste verstärkt darauf geachtet werden, Ältere und geringer Qualifizierte mehr weiterzubilden als bisher.

Leichtfried sprach von einem "Konfigurieren der Menschen und Technik", was ein Qualifizierungspaket erfordere. Da müsse man auch über künftige Ausformungen des Steuersystems nachdenken. Der Sozialdemokrat dachte über die Arbeit von Robotern nach, die vielleicht als Arbeit im herkömmlichen Sinn betrachtet werden müsse, ohne das Wort Wertschöpfungssteuer in den Mund zu nehmen. Auch eine Ökologisierung des Steuersystems sei ein Punkt.

Kaske und Ederer waren überzeugt, dass es künftig dank der Digitalisierung mehr Jobs geben wird. Hofstädter sah eher einen Arbeitskräftemangel auf Digitalisierungsbranchen zukommen, "wenn der Boom kommt". Ederer hoffte gar, dass manche Produktion wieder zurück nach Österreich kommen könnte. Kaske gab aber zu bedenken, dass durch die Entwicklungen in der Branche des Handels sehr wohl Jobs wegfallen werden. Die Wertschöpfungsabgabe alleine sei zu kurz gedacht, so Kaske. Es brauche ein Bündel an Maßnahmen, um den Staat und Sozialstaat künftig zu finanzieren.

Über die Plattform mit 36 Mitgliedern und 200 Mit-Forschern werden verschiedene Facetten der Digitalisierung erforscht und Lösungen von Produktionstechnologien über Weiterbildung und Arbeit erarbeitet. Mit dem "Industrie-4.0-Check" können Betriebe bald überprüfen, wie gut sie für die Umstellung auf die Digitalisierung gerüstet sind und welche Schritte als nächstes angebracht sind. (APA, 12.12.2016)