Es mag auf den ersten Blick grotesk erscheinen. Der SPÖ-Chef will mit Heinz-Christian Strache auf ein Bier gehen und warnt vor einer prinzipiellen Ausgrenzung von rechtspopulistischen Parteien wie der FPÖ. Der ÖVP-Chef schwört die eigenen Leute gleichzeitig darauf ein, sich stärker von den Freiheitlichen abzugrenzen.

Also verkehrte Welt? Nicht wirklich. So groß sind die Unterschiede zwischen den Positionen von Christian Kern und Reinhold Mitterlehner nicht. Beiden geht es um die inhaltliche Auseinandersetzung mit den blauen Positionen. Diese zu zerlegen ist einerseits nicht schwer, weil die freiheitlichen Konzepte selten in die Tiefe gehen beziehungsweise ökonomisch oder rechtlich nicht umsetzbar sind. Andererseits liegt hier aber die Schwierigkeit für die Koalitionsparteien. Wer FPÖ wählt, wählt häufig eine Stimmung, ein Gefühl, dass sich das Land in die falsche Richtung entwickelt. Argumenten, eine Forderung könnte zu teuer oder rechtswidrig sein, sind diese Wähler vielleicht nicht zugänglich.

SPÖ und ÖVP werden also nur Erfolg haben, wenn es ihnen gelingt, diese Grundstimmung umzukehren. Da die bisherigen Strategien nicht gefruchtet haben, ist es aber einen Versuch wert, einen letzten Neustart zu versuchen. Entscheidend für das Gelingen wird sein, ob die Parteien ihren Chefs folgen. Für die SPÖ ist das Ende der Ausgrenzungspolitik eine Zerreißprobe. Bei der ÖVP wird sich zeigen, ob sich alle an das Machtwort Reinhold Mitterlehners halten. (Günther Oswald, 11.12.2016)