Italiens neuer Premier Paolo Gentiloni unterscheidet sich stark von Tausendsassa Matteo Renzi.

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Nach dreitägigen Konsultationen hat Italiens Präsident Sergio Mattarella am Sonntagmittag Außenminister Paolo Gentiloni den Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung erteilt – und das solle am besten "in kürzester Zeit" geschehen. Gentiloni nahm den Auftrag "mit Vorbehalt" an. Die Vertrauensabstimmungen im Parlament sollen schon diese Woche erfolgen – wahrscheinlich sind sie keine große Hürde, da die bisherige Regierungsmehrheit weiter steht.

Gentiloni wird wohl nur wenige Ministerposten neu besetzen. Er gilt als enger Vertrauter des zurückgetretenen Matteo Renzi. Und da dieser auch keineswegs von der politischen Bühne Italiens verschwinden will, wird er über seine Funktion als sozialdemokratischer Parteichef de facto Einfluss auf die Regierung behalten.

Der 62-jährige Gentiloni, gebürtiger Römer und Spross der alten Adelsfamilie der Conti Gentiloni Silveri, ist seit November 2014 Außenminister. Aristokratisches Gehabe ist dem Neopremier jedoch fremd: Gentiloni gilt als stiller und seriöser Arbeiter ohne Allüren – ein Gegenentwurf zum stets hyperaktiven und großspurigen Matteo Renzi.

So still und dezent wie heute war Gentiloni nicht immer: Als Gymnasiast und Student war er Mitglied des "Movimento Studentesco"; nach dem Studium der Politikwissenschaften wurde er Journalist und schrieb für linke, teilweise ultralinke Zeitschriften.

Der Politarchitekt

Mit der Zeit näherte er sich den Grünen an und arbeitete als Chefredakteur der Zeitschrift der Umweltorganisation Legambiente. 1993 wurde er Sprecher des ersten grünen Bürgermeisters von Rom, Francesco Rutelli. Gentiloni gilt auch als Mitbegründer und Vordenker des linken Parteienbündnisses Ulivo von Romano Prodi.

Unter Prodi war Gentiloni von 2006 bis 2008 Kommunikationsminister und erarbeitete ein Gesetz, das Silvio Berlusconis Medienmacht begrenzen sollte. Wegen Prodis vorzeitigen Abgangs trat es aber nie in Kraft.

Auch beim Aufbau des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD), dem Fusionsprodukt der postkommunistischen Linksdemokraten und der linkskatholischen Margherita-Partei, galt Gentiloni als einer der Architekten.

Betont still und zurückhaltend

Im Amt des Außenministers agierte Gentiloni betont zurückhaltend. Kritiker meinten, dass man gar nicht bemerke, dass Italien einen Außenminister habe.

In der Libyen-Krise 2011 mahnte Gentiloni zur Vorsicht: Einen möglichen militärischen Bodeneinsatz in der ehemaligen italienischen Kolonie lehnte er – ohne Mandat der EU und der Uno – ab. Und auch die Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise sah der Außenminister so wie sein Boss Renzi kritisch.

Um die Nachfolge Renzis hatte sich in den vergangenen Tagen niemand gerissen: Denn es ist absehbar, dass es ein undankbarer Job sein wird. Zum einen wird es kaum eine lange Amtszeit werden: Eine klare Mehrheit der Parteien – inklusive Renzi selbst – fordert, dass die neue Regierung lediglich ein neues Wahlgesetz ausarbeiten und das Land dann zu Neuwahlen führen soll. Dies könnte theoretisch bereits im März, eher aber im Herbst 2017, der Fall sein. Aber selbst wenn es keine vorgezogenen Neuwahlen geben sollte, wird Gentiloni nicht lange im Amt bleiben: Im Frühjahr 2018 sollte ohnehin regulär gewählt werden.

Probleme mit Krisenbank

Zum anderen gibt es ein sehr heikles Problem: Bei der schwer angeschlagenen Bank Monte dei Paschi di Siena zeichnet sich immer deutlicher die Notwendigkeit einer staatlichen Rettungsaktion ab, um eine "Ansteckung" anderer Banken zu vermeiden. Dabei würden zehntausende Kleinsparer zur Kassa gebeten. Der drohende Aufstand war der Grund, warum Renzi die Sanierung auf die lange Bank geschoben hatte. Jetzt muss wohl Gentiloni in den sauren Apfel beißen. (Dominik Straub aus Rom, 11.12.2016)