Richmond/Wien – CRISPR-Cas9 hat fraglos eine Revolution in der Gentechnik ausgelöst: Mit dieser Methode können DNA-Sequenzen schneller, billiger und zielgenauer verändert werden als bisher. Vielfältige Anwendungen in der Medizin und der Landwirtschaft scheinen damit möglich. Doch zunächst muss ein Gericht nun klären, wer den Ruhm für die Entwicklung beanspruchen darf. Dabei geht es auch um sehr viel Geld, jedenfalls um hunderte Millionen Euro. Bei einem günstigen Urteil könnte auch die Universität Wien davon profitieren.

Die erste Anhörung in der Frage fand am Dienstag in Alexandria im US-Bundesstaat Virginia statt. In dem Patentstreit stehen sich zwei Parteien und drei Forscher gegenüber: auf der einen Seite die französische Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier vom Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie und die US-Biochemikerin Jennifer Doudna von der University of California in Berkeley, die in Zusammenhang mit CRISPR bereits zahlreiche Preise einheimst haben und als Nobelpreis-Kandidatinnen gelten.

Doch der chinesische Wissenschafter Feng Zhang vom Broad Institute in den USA, das mit der Universität Harvard und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) kooperiert, beansprucht die Entwicklung der Methode ebenfalls für sich.

Die Forschungen von Charpentier und Doudna waren im Juni 2012 in der Fachzeitschrift "Science" veröffentlicht worden. Die Wissenschafterinnen beschrieben, wie mit CRISPR DNA-Sequenzen zerschnitten, entfernt und neu zusammengesetzt werden können. Dies bezog sich auf einfache Organismen wie Bakterien.

Patentanmeldungen 2012 und 2013

2013 haben die beiden Biochemikerinnen ein Patent angemeldet – für die University of California und, zu einem geringeren Teil, für die Universität Wien: Emmanuelle Charpentier gelangen die bahnbrechenden Beiträge zur CRISP-Technologie, als sie an den Max F. Perutz Laboratories in Wien forschte.

Doch bereits im Dezember 2012 meldeten Zhang und das Broad Institute ebenfalls ein Patent an. Dabei ging es um einen erfolgreichen Test zur Anwendung von CRISPR bei sogenannten Eukaryoten. Das sind Lebewesen, deren Zellen einen Zellkern mit Membran enthalten. Der Einsatz von CRISPR bei solchen Organismen öffnet den Weg, die Methode letztlich auch bei menschlichen Zellen zu benutzen.

Ihm wurde dieses Patent 2014 auch zugesprochen, doch Charpentier und Doudna meldeten Einspruch an: Zhangs Entdeckung geschah erstens später und würde zweitens mit ihren eigenen Ansprüchen in Widerspruch stehen. Darauf entbrannte ein Streit, der seitdem auch zu einigen polemischen Auseinandersetzungen innerhalb der Community führte.

Vor dem Gericht in Virginia wurde am Dienstag die Frage diskutiert, ob Zhang von den Entdeckungen seiner Forscherkolleginnen profitiert hat oder vielmehr er derjenige war, der die Technologie entscheidend voranbrachte. Die Wissenschafter wurden von Anwälten vertreten; die Anhörung dauerte nicht einmal 50 Minuten.

Keine schnelle Entscheidung

Bis zur Entscheidung des Gerichts wird es Wochen dauern. Die drei Richter können einer der beiden Parteien die Entwicklung von CRISPR komplett zurechnen oder aber Charpentier und Doudna einerseits und Zhang andererseits unterschiedliche Patente zusprechen. Die Entscheidung wird womöglich auch für das Nobelpreiskomitee in Stockholm von Interesse sein.

In jedem Fall wird CRISPR die Fachwelt noch lange in Atem halten. Große Medizinlabore und Biotech-Unternehmen sehen in der Technologie riesiges Potenzial. Zugleich werden aber ethische Bedenken laut. Denn wenn die DNA in Keimzellen verändert wird, vererben sich die neuen Sequenzen an die nachfolgenden Generationen. (APA, tasch, 7.12.2016)