"Peace Trail" ist Neil Youngs 37. Studioalbum. Nicht alles darauf ist super, manches aber schon.

Foto: Christian Fischer

Wien – Am Ende gibt er sich kauzig. Das kann er sich erlauben. Da singt er in Glass Accident, dass er aufgeweckt wurde, weil sich ein Glas in den Boden verliebt hat, und das scheppert halt. Die Musik zu dieser kleinen Schnurre stammt aus dem Fach der Country-Gstanzln. Ein Landler auf Amerikanisch. Für so einen Song muss Neil Young erst gar nicht aus den Federn steigen, den schüttelt er aus dem Pyjamaärmel. Wobei der alte Hippie sicher nackert schläft, eine Altlast aus der Zeit der freien Liebe, der Ära Pudern statt Krieg.

Der Kauzigkeit von Glass Accident setzt er im letzten Song noch eins drauf. In My New Robot liefert sich Young als 71-jähriger "senior citizen" dem Irrsinn des Onlinehandels aus. Passwörter, Pins, bitte hier drücken, bitte dort, Roboterstimmen erteilen Kommandos. Darüber kann man sich schon einmal lustig machen, zum bleibenden Erbe des Kanadiers wird man diese Songs dereinst eher nicht zählen.

Neil Young hat eine neue Platte gemacht. Sie heißt Peace Trail und erscheint am Freitag. Für das Cover verschleuderte er oder seine Plattenfirma keinen Cent. Man sieht eine beige Fläche aus der Spanplattenabteilung des Baumarktes als Hintergrund, oben steht in Youngs Handschrift sein Name, unten der Albumtitel.

Immerhin sind diese Songs derart ironisch angelegt, das der Verdacht, sie könnten bierernst gemeint sein, ausgeschlossen ist. Dasselbe gilt für The Pledge, bei dem Young den Modernisierungsverlierer mimt und mit Vocoderstimme die Smartphone-Zombies bejammert. Insofern lustig, als Young schon 1982 durch den Vocoder gesungen hat, auf dem Album Trans, einem wenig beliebten Werk seines Katalogs, das ob des Vocoders schon mal als "Techno" eingestuft wurde, Schwachsinn, natürlich.

Jim Keltner, heilig

Dort hinten auf dem Album, da wird er also keine neuen Freunde finden. Zumal Autotune, das das Vocodergewinsel heute erzeugt, wesentlich die Kleinkunst von Gestalten wie Justin Bieber oder den Werken stimmlich unfirmer Schabracken aus dem Fach des R 'n' B zuzurechnen ist.

Aber so ein Album, und Young sieht sich als klassischer Albumkünstler, beginnt vorn. Und mit Songs wie dem namensgebenden Peace Trail hat er sehr wohl etwas zu sagen. Der Titelsong ist ein stimmungsvolles, von einer Orgel behübschtes Kleinod, intim produziert, von Gitarrenwänden getragen und vom superlegeren Getrommel Jim Keltners angeschoben. Über dessen genialisches Spiel gehörte sowieso einmal ein Buch geschrieben.

Young singt dazu mit der naiven Weisheit eines Künstlers, der den Hippie-Idealen bis heute nachhängt. Und, Entschuldigung, Peace, Friede, gilt normalen Menschen ja doch eher erstrebenswert als der Krieg. Da gibt's nichts, und Young hat darüber so viele schöne Lieder geschrieben, dass man schon einmal schwärmen kann.

Peace Trail ist nun eben eines mehr davon. Dass es damit noch lange nicht vorbei ist, darüber singt er in Can't Stop Working, einem Manifest des eigenen Tuns auf diesem seinem 37. Studioalbum. Der Körper mag unter der Arbeit leiden und stellenweise komische Geräusche machen und ermüden, für die Seele sei Arbeit aber unersetzlich, singt er, und man hofft, dass auf Körperseite bei ihm alles noch lange funktionieren möge. "Long May You Run", dieses Zitat aus einem alten Song Youngs, darf in keinem Text über ihn fehlen, hiermit erledigt.

Mit Indian Givers haut er sich auf Seite der Sioux, die gegen die Verlegung einer Pipeline durch die ihnen heiligen Gründe von Standing Rock demonstrieren. Moralisch super, musikalisch eher mitteldürftig, auch ein Song wie Texas Rangers kommt aus dem Skizzenstadium kaum heraus, Show Me erinnert an Drive By aus dem betrübten Album Sleeps with Angels, auf dem Young 1994 den Tod Kurt Cobains beklagte.

Damals wie heute sind es Lieder, in denen die Einfachheit und die Genialität miteinander schmusen. Dass Young das auf Peace Trail nicht über die gesamte Distanz bringt, macht das Album zwar nur zu einer halben Sache, aber immerhin zu einer guten halben Sache. (Karl Fluch, 6.12.2016)