Dürfte dank Hauptdarstellerin Dagmar Manzel auch nach 92 Jahren eine Berliner Kultaufführung werden: Oscar Straus' "Die Perlen der Cleopatra".

Foto: Iko Freese / drama-berlin.de

Wie lebendig, frech, ja fast zotig die Berliner Operette in den 1920er-Jahren und dann bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten war, hat Intendant Barrie Kosky in der Komischen Oper Berlin mehrfach demonstriert. Von Verfall des Genres, von einer "blechernen" oder "bronzenen" Operettenära keine Spur. Im Gegenteil, wie man nun wieder sieht.

Oscar Straus' Die Perlen der Cleopatra wurde zwar in Wien uraufgeführt, zeigt aber sehr deutlich den frivol-hektischen Berliner Zeitgeist und war 1924, zeitgleich mit der öffentlichen Zurschaustellung von Nofretete in der ägyptischen Sammlung, erst ebendort ein großer Erfolg. Sicherlich oft mehr Kabarett und Revue als dramatische Operette, aber voll Raffinement und ironischer Sentimentalität, war das Stück vor allem eines: dem Berliner Star Fritzi Massary auf den Leib geschrieben.

Breitester Dialekt

Cleopatra, als Pharaonin ganztags beschäftigt mit Innen- und Außenpolitik, ist an einem "kleinen ägyptischen Flirt" oder einem "wohl gebauten" Römer interessiert ("Ich bin auch Frau!") und mischt dabei selbstbewusst als Liebesmittel Perlen in den Wein.

Dass Oscar Straus' Operette 92 Jahre später nun wohl wieder zu einer Berliner Kultaufführung werden dürfte, liegt an der inzwischen als deutsche Operettendarstellerin wohl einzigartigen Dagmar Manzel. Faszinierend, wie die Schauspielsängerin blitzschnell zwischen Chanson, betörendem Gesang und Sprechstimme, zwischen dunklem Liebesgeflüster und breitestem Dialekt wechselt.

Cleopatra als Berlinerin

Und damit diesmal nicht genug: Als Bauchrednerin diskutiert sie auch mit ihrer meist ungehaltenen Berliner Katze Ingeborg ("Eens sack ich dir, lang schau ick ma dit nich mer an") – Cleopatra als herrische, manchmal konfuse, schon ein wenig alt gewordene Berlinerin, und dennoch voller Liebessehnsucht.

Einschmeichelnde Ohrwürmer, die immer wieder ironisch gebrochen erscheinen, dann wieder Zitate aus Aida oder aus Strauss' Salome im Operettenjazz der 1920er-Jahre bestimmen die raffinierte Komposition, die das Orchester der Komischen Oper unter Adam Benzwi rekonstruiert hat und temperamentvoll zu servieren weiß.

Angetrunkener Penner

Barrie Kosky als Regisseur und Otto Pichler als Choreograph setzen auf eine kraftvolle, spritzige Revue. Die verschiebbaren, abstrakten Art-déco-Bühnenwände (Rufus Didwiszus) in Schwarz-Weiß werden durch bunte, ziemlich schräge Kostüme (Viktoria Behr) kontrastiert. Dominique Horwitz tänzelt als Minister und Berater Pampi (Pampylos) über die Bühne, während Johannes Dunz als Perser mit einschmeichelndem Tenor, aber auch mit seiner "Liebesflöte" betört. Dominik Köninger kämpft als Römer Silvius kraftvoll um einen "Meeresbusen". Erst im Finale kommt dann Toni (Mark Antonius). Ihm scheint sich Cleopatra zu ergeben.

Kammersänger Peter Renz spielt einen ziemlich angetrunkenen Penner – und der aufgerichtete ägyptische Sarkophag, bei dem sich die beiden einsamen alten Herzen mit Berliner Dosenbier treffen, sieht plötzlich wie ein Dixiklo aus. "Ach Anton, steck den Degen weg!" (Bernhard Doppler, 4.12.2016)