Francois Hollande wird nicht mehr antreten.

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Es war einer der seltenen Momente, in denen François Hollande echte Gefühle zeigt: Feierlich bewegt, aber auch betreten und gehemmt verkündete der 62-jährige Sozialist die Entscheidung, auf die Frankreich und dort vor allem die Linke seit Wochen gewartet hatten. "Ich habe beschlossen, nicht Kandidat zu sein", erklärte er nach einer zehnminütigen Aufwärmrede, in der er die Bilanz seiner eigenen Tätigkeit seit 2012 im Elysée-Palast zog. Er habe die französische Wirtschaft wieder auf Touren gebracht – "zwar später, als ich angekündigt hatte, doch die Resultate sind da", meinte er mit Verweis auf den jüngsten Rückgang der Arbeitslosenzahl. Außerdem habe er den europäischen Ländern einen strengen Sparkurs erspart und Griechenland in der EU bewahrt, fügte Hollande an, stolz, dass er im Namen Frankreichs der Terrorgefahr getrotzt habe.

All diese Worte mündeten in den Beschluss, nicht mehr zu kandidieren. Er habe nicht die nötige Unterstützung, begründete er den Schritt mit einem Satz, der allerdings die ganze Wahrheit enthielt. Einen Wunschnachfolger nannte Hollande nicht.

Druck erhöht

Der sehr kurzfristig anberaumte Auftritt erfolgte wenige Tage nach der diskussionslosen Nominierung des Konservativen François Fillon für die Präsidentenwahl. Das erhöhte den Druck auf Hollande, das Handtuch zu werfen, um die Blockade der Linken zu lösen. Der höchst unpopuläre Präsident galt als Hindernis für eine auch nur potenziell erfolgreiche sozialistische Kandidatur: Ihm selbst wurden keinerlei Wiederwahlchancen eingeräumt, zugleich behinderte er andere Kandidaturen.

In Paris löste die Ankündigung Hollandes nur zum Teil Überraschung aus. Einzelne Kommentatoren waren überzeugt gewesen, dass der joviale, stets gut gelaunte und optimistische Präsident noch einmal antreten würde. Die letzten Umfragen waren aber geradezu verheerend ausgefallen. Seit der Vorwahl der Republikaner gelten Fillon und die Rechtsextremistin Marine Le Pen mit 29 und 23 Prozent als für die Stichwahl gesetzt; den Linkskandidaten Manuel Valls und Emmanuel Macron werden 14 oder 11 Prozent gutgeschrieben – immer noch mehr als Hollande, der sich mit kläglichen 7,5 Prozent abfinden musste. Angesichts dieser Zahlen erscheint der Verzicht des Präsidenten nur als ein Eingeständnis seiner desolaten Lage.

Premier Valls "bereit"

Wer die französische Linke im April in die Präsidentschaftswahl führen wird, ist offen. Hollandes ehemaliger Wirtschaftsminister Macron, der sich in der politischen Mitte situiert, hat seine unabhängige Kandidatur bereits erklärt. Auf der Linken tritt Jean-Luc Mélenchon an, der auch die Unterstützung der Kommunisten hat. Die große Frage, wer nun für die regierenden Sozialisten ins Rennen gehen soll, soll bei Vorwahlen im Jänner geregelt werden. Am Donnerstag hat die Bewerbungsfrist für die Kandidaturen begonnen; aber sowohl Macron wie Mélenchon haben bereits klargemacht, dass sie daran nicht teilnehmen werden. Sieben andere Kandidatennamen sind schon bekannt; der bekannteste ist Arnaud Montebourg, seinerseits Ex-Wirtschaftsminister.

Allgemein wird damit gerechnet, dass Hollandes Premier Valls für die Sozialisten ins Rennen steigen wird. Er hatte am Sonntag bereits erklärt, er sei bereit. Nach einem Mittagessen mit Hollande am Montag schwieg er aber nur noch – was die Möglichkeit einer Absprache zwischen Präsident und Premier erahnen lässt. Valls' Problem ist Macron: Die beiden stehen sich politisch sehr nahe und dürften einander im Wahlkampf beständig auf die Füße treten. Alle Umfragen zeigen, dass keiner der beiden in die Stichwahl vordringen kann, wenn beide kandidieren.

In den nächsten Wochen wird Macron deshalb unter gewaltigen Druck geraten, an der Vorwahl der Sozialisten teilzunehmen. Er selbst siedelt sich zwischen den Lagern an. Und bisher scheint ihm das eher gut zu bekommen, schneidet er doch in den Umfragen am besten von all jenen ab, die Fillon und Le Pen herausfordern wollen. Nach jetzigem Stand scheint ein Dreikampf Macron, Valls, Mélenchon auf der Linken am wahrscheinlichsten. Andere Varianten sind jedoch denkbar. Der Verzicht Hollandes macht zwar einmal klar, wie zerstritten die Linke und ihre Kandidaten sind. Aber er ermöglicht es den Sozialisten, Kommunisten und Grünen endlich auch, ihren Wahlkampf zu planen – jetzt, nachdem die Unbekannte Hollande weggefallen ist. (Stefan Brändle, 1.12.2016)