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Start des russischen Frachters MS-04 vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan. Kurz darauf stürzte er über Sibirien ab.

Foto: Reuters/Roskosmos

Eigentlich war es ein Routinestart in Baikonur: Die Trägerrakete Sojus-U sollte den Raumfrachter Progress mit 2,5 Tonnen Proviant, Forschungsgeräten und anderem Material an Bord ins All schießen. Doch nach 190 Kilometern oder 383 Sekunden war der Flug bereits beendet, und die Rakete verschwand von den Bildschirmen. Zu der Zeit hatte sich der Frachter noch nicht von der dritten Zündstufe der Trägerrakete abgekoppelt. Ein Großteil der Apparatur ist in der Atmosphäre verglüht. Nun suchen die Behörden in Sibirien nach den übrigen Trümmern.

"Augenzeugen haben Blitze in der Nähe der Ortschaft Ischti-Chem in Tuwa gesehen, wo die Bruchteile gelandet sein können", teilte ein Polizeisprecher mit. Tuwa ist eine entlegene, bergige und dünn besiedelte Teilrepublik Russlands an der Grenze zur Mongolei, weshalb sich die Suche kompliziert gestaltet.

Für die internationale Raumfahrt bedeutet der Absturz einen empfindlichen Rückschlag, auch wenn die Nasa bereits versicherte, dass es keine akuten Nachschubprobleme auf der Station gebe. Doch solange die Unfallursache ungeklärt ist, hat Moskau ein Startverbot für sämtliche Progress-Frachter erteilt. Damit ist auch ein für Februar 2017 geplanter Start gefährdet. Die Untersuchungen werden nach Angaben aus der Raumfahrtbehörde "nicht weniger als ein bis zwei Monate dauern".

Freilich kursieren schon jetzt die verschiedensten Spekulationen über die Unfallursache. "Die wahrscheinlichste Version sind irgendwelche Probleme mit dem Raketentriebwerk RD-0110", sagte Alexander Schelesnjakow von der Russischen Ziolkowski-Akademie für Raumfahrt. Mit dem Triebwerk habe es auch in der Vergangenheit schon mehrfach Probleme gegeben, fügte der Wissenschafter hinzu.

Tatsächlich ist es für die russische Raumfahrtbehörde Roskosmos bereits der zehnte Absturz innerhalb von sechs Jahren. Besonders gravierend war die Pleitenserie zwischen Dezember 2010 und Dezember 2011, als gleich vier Raketenstarts daneben gingen. Roskosmos-Chef Anatoli Perminow musste deswegen seinen Hut nehmen, allerdings sind inzwischen auch zwei seiner Nachfolger schon wieder Geschichte.

Zeitweise schien sich das von Experten bemängelte Kontroll- und Qualitätsmanagement verbessert zu haben. Doch ganz vorbei ist der Schlendrian offenbar noch nicht – zuletzt gab es wieder vermehrt Zwischenfälle.

Weitere Zusatzkosten

Der aktuelle Absturz dürfte allein an Materialkosten 65 bis 70 Millionen Euro gekostet haben, wovon etwas weniger als die Hälfte versichert war. Dazu könnten weitere Kosten durch verschobene Starts kommen – immerhin ist das Triebwerk RD-0110 auch in anderen Sojus-Raketen eingebaut, die nicht nur von Baikonur, sondern auch vom nordrussischen Weltraumbahnhof Plessetzk oder Kourou in Französisch-Guayana starten. Hierbei handelt es sich zumeist um kommerzielle Starts mit Telekomsatelliten. (André Ballin aus Moskau, 2.12.2016)