Madrid/Barcelona – Spanien steuert langsam, aber sicher auf eine neue politische Krise zu. Kataloniens separatistische Regionalregierung treibt die Abspaltung der wirtschaftskräftigsten Region von Spanien ohne Rücksicht auf Verluste und trotz des Verbots durch das spanische Verfassungsgericht weiter voran.

Anfang der Woche verabschiedeten die regierende Mehrparteien-Allianz Junts pel Sí sowie die ebenfalls separatistische linke CUP-Partei mit ihrer absoluten Mehrheit im Regionalparlament in Barcelona den Haushalt 2017, in dem 5,8 Millionen Euro für die Fortführung des Unabhängigkeitsprozess vorgesehen sind. Konkret soll das Geld für die Organisation und Durchführung des für September geplanten Unabhängigkeitsreferendums benutzt werden.

"Das ist eine klare Kampfansage an die spanische Zentralregierung wie an die Verfassungsrichter", erklärt Pablo Simon, Politologe an der Madrider Juan Carlos III. Universität im APA-Gespräch. Das spanische Verfassungsgericht gab bereits im Sommer einer Klage der spanischen Zentralregierung Recht und erklärte den vom katalanischen Regionalparlament eingeleiteten Abspaltungsprozess für verfassungswidrig und illegal.

Die separatistischen Regierungsparteien hatte kurz zuvor feierlich im Parlament eine Resolution verabschiedet, mit welcher der "Prozess zur Schaffung eines unabhängigen katalanischen Staates in Form einer Republik" eingeleitet wurde.

Das Regionalparlament wie die Regionalregierung ignorieren jedoch das Urteil. Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Amtsmissbrauch gegen Kataloniens Parlamentspräsidenten Carme Forcadell. Auch Kataloniens Ex-Präsident Artur Mas, der den Unabhängigkeitsprozess erst in Gang brachte, muss sich vor Gericht wegen zivilen Ungehorsams und Machtüberschreitung verteidigen, da er gegen den Beschluss des Verfassungsgerichts am 9. November 2014 eine Art Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien durchführen ließ.

Die Stimmung ist angespannt. "Die spanische Zentralregierung versucht nun die Wellen zu glätten. Sie hat derzeit zu viele Probleme und versucht, zumindest diese Front zu beruhigen", so Simon. Spaniens stellvertretene Regierungschefin Saenz de Santamaria will höchstpersönlich den Dialog zu suchen.

Tatsächlich kann Spaniens konservativer Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) keine zusätzlichen Konflikte gebrauchen. Die derzeit laufenden Parlamentsdebatten über den Haushalt 2017 zeigen, wie schwer er es haben wird, mit seiner Minderheitsregierung seine Politik durchzusetzen.

Erst nach einem 10-monatigen Tauziehen konnte Rajoy Ende Oktober eine Parlamentsmehrheit hinter sich bringen, um überhaupt mit einer Minderheitsregierung regieren zu können. Und die Oppositionsparteien lassen die Konservativen spüren, dass sie ihre vorherige absolute Mehrheit verloren haben. Vom Haushaltbudget bis hin zur Bildungsreform – sie wollen deutliche Modifizierungen und ein Ende der Sparpolitik.

Um die Schwäche der Regierung weiß natürlich auch Kataloniens separatistischer Ministerpräsident Carles Puigdemont, der nun den Madrider Puls fühlt und seinen Verhandlungsspielraum ausloten will. Der ist aber weiterhin sehr begrenzt. Saenz de Santamaria bot der katalanischen Regierung am Mittwochabend an, über die Übertragung weiterer Autonomierechte, mehr Steuergelder und höhere Investitionen in Kataloniens Infrastruktur verhandeln zu wollen. Doch über einen Punkt werde man nicht verhandeln – die Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums.

Die Antwort folgte prompt. Francesc Homs von der katalanischen PDCat erklärte im spanischen Parlament, als Sprecher der separatistischen Regionalregierung, ohne diesen Punkt werde es keinen Dialog und keine Verhandlungen geben. Die Fortsetzung des Konflikts zwischen Madrid und Barcelona ist also vorprogrammiert. (Manuel Meyer/APA, 1.12.2016)