"Sehr geehrte Frau Chris Lohner! Was bilden Sie sich eigentlich ein? Wer glauben Sie, dass Sie sind, wenn Sie glauben, uns Österreichern vorschreiben zu können, wem wir unser Geld geben sollen? Da fordern Sie uns auf, dass wir für Licht für die Welt spenden, damit die in Afrika besser sehen, in welchem Elend sie leben, worauf die dann erst recht alle zu uns kommen werden. Und Ihren elitär gleichgeschalteten System-Freundinnen aus dem Establishment, den selbsternannten Gutmenschenfrauen Barbara Stöckl und Christiane Hörbiger, können Sie auch gleich ausrichten, dass wir mündigen Bürger nicht das mobile Hospiz der Caritas mit unseren Spenden künstlich am Leben erhalten, nur weil sie das gerne hätten. Weil WIR Österreicher sterben, wie WIR wollen!"

Tassilo Pestitschek, Großgmain

Nein, dieser Leserbrief ist noch nicht erschienen. Aber die Tendenz geht eindeutig in die Richtung. Immer öfter erheben heimische Wähler auf Leserbriefseiten empört ihre Stimmen, weil sie Wahlempfehlungen von Personen des öffentlichen Lebens als skandalös empfinden.

Das wirkt ein wenig befremdlich, vor allem, wenn man sich den vorliegenden Sachverhalt genau anschaut. Herr oder Frau X erklären, dass sie Kandidat Y wählen werden. Dazu stehen den mündigen Bürgerinnen und Bürgern zwei Reaktionsmöglichkeiten offen: a) das interessiert mich, b) das interessiert mich nicht.

Sich von dieser Äußerung jedoch unter Druck gesetzt, gegängelt oder bevormundet zu fühlen, lässt nur auf einen Minderwertigkeitskomplex von gesundheitsschädigendem Ausmaß schließen.

Das kann nicht die einzige Erklärung für die plötzliche Empfindlichkeit sein. Vielleicht kommt man der Sache ein Stück näher, wenn man beachtet, dass sich die Empörung ausschließlich auf Wahlempfehlungen für Alexander Van der Bellen bezieht. Ist es denkbar, dass Hofer-Wähler in erster Linie ihren Neid auf die illustre Schar der Unterstützer des Gegenkandidaten zum Ausdruck bringen? Wenn ja, dann wäre das wirklich unfair, zumal sie damit die Strahlkraft ihres eigenen Favoriten kleinreden. Denn auch Norbert Hofer hat prominente, auf ihre Art sogar die Elite repräsentierende Fans, die sich erst unlängst in Interviews ohne Scheu öffentlich zu ihm bekannt haben.

Zum Beispiel Karl-Heinz Grasser. Als subversiver Geldanleger und Aktivist gegen Bargeldabschaffung gelang es ihm, die Hautevolee von Wien, Kitzbühel und Capri aufzumischen. Als nach der V-Mann-Methode agierender Agent provocateur hat er die systemimmanente Korruption im öffentlichen Vergabewesen bloßgestellt.

Oder Gernot Rumpold. Heinz-Christian Straches ehemaliger Firmenpartner wird seine radikale Anti-Establishment-Haltung bald schon mit dem Antreten einer elfmonatigen Haftstrafe auf die Spitze treiben.

Auf dem Gebiet der anarchisch inspirierten Systemdestruktion stellen er und Grasser zweifelsohne eine Elite dar. Im Kurier-Gespräch erklärt Rumpold, Hofer wegen seiner "verbindlichen Art" zu wählen, und beweist damit auch, dass diese Elite messerscharf erkannt hat, was ein österreichischer Bundespräsident tatsächlich bewirken kann. Nämlich eine Begnadigung im Rahmen der alljährlichen Weihnachtsamnestie. (Florian Scheuba, 30.11.2016)