Eine Szene aus besseren Tagen: Mittlerweile gibt es einen offenen Machtkampf zwischen Parteichef Reinhold Mitterlehner und Klubchef Reinhold Lopatka.

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Wien – Angekündigte Revolutionen finden bekanntlich nicht statt – auch nicht in der ÖVP. Ein Vier-Augen-Gespräch "mit offenem Ausgang" hatte Parteichef Reinhold Mitterlehner am Sonntag angekündigt und seinem Klubobmann Reinhold Lopatka "Illoyalität" vorgeworfen. Am Montag kam es zu der Aussprache. Ergebnis: keines. Es wird nicht zu Änderungen an der Spitze des ÖVP-Parlamentsklubs kommen.

"Die Irritationen wurden ausgeräumt", hieß es danach in einer knappen Aussendung der Partei. Lopatka hatte sich zuvor den Groll Mitterlehners zugezogen, weil er sich via "Krone" unmissverständlich für FPÖ-Hofburg-Kandidat Norbert Hofer ausgesprochen hat. Mitterlehner wiederum ließ klare Präferenzen für Van der Bellen erkennen.

"Lediglich persönliche Präferenzen"

Nun heißt es, dass beide weiterhin zu ihren Aussagen stünden, es sich dabei aber "lediglich um persönliche Präferenzen" handle und die Partei weiterhin "keine Wahlempfehlung" abgebe.

Offiziell ist der Streit also beigelegt, hinter den Kulissen brodelt es aber in der Partei. Ein Insider, der nicht genannt werden möchte, sprach im Gespräch mit dem STANDARD von "Chaos". Für Unverständnis sorgt vor allem, dass Mitterlehner die Personaldebatte völlig ohne Not und offenbar auch ohne Strategie vom Zaun gebrochen hat.

Nicht das erste Mal

Im Umfeld des Parteichefs heißt es, dass weniger die Wahlempfehlung an sich das Problem gewesen sei, sondern die Vorgangsweise Lopatkas. Niemand in der Partei sei vorab informiert worden. Zudem habe Lopatka wenige Tage zuvor, als es bereits Gerüchte über eine Pro-Hofer-Plattform gab, explizit dementiert, sich öffentlich für Hofer auszusprechen. "Das wertet Mitterlehner als Vertrauensbruch", sagt ein ÖVPler.

Zudem sei es nicht das erste Mal, dass Lopatka unabgesprochen agiere. Verwiesen wird auf das Abwerben von Team-Stronach-Abgeordneten, die umstrittene Postenvergabe im Rechnungshof und vor allem das ständige Quertreiben der Regierungslinie. Die Vorladung am Montag wird in der Partei als "gelbe Karte" für den Klubchef gewertet.

Eine Rüge für Lopatka gab es auch von Tirols Landeshauptmann Günther Platter. "Das war nicht in Ordnung. So kann man nicht Politik machen." Dem Parteichef über die Medien etwas auszurichten, sei "unverständlich".

Abwahl nicht möglich

Mitterlehner hat allerdings das Problem, dass ein Klubobmann nicht einfach ausgetauscht oder abgewählt werden kann, wie Parlamentsexperte Werner Zögernitz betont. Die Wahl von Klubfunktionen gelte für die gesamte Legislaturperiode. Lopatka könnte also nur freiwillig auf sein Amt verzichten. "Aber warum sollte er das machen?", fragt ein Schwarzer. "Mitterlehner ist so beschädigt, wie man nur beschädigt sein kann."

Im ÖVP-Klub gebe es aber viele, die es begrüßen würden, wenn die ÖVP einen neuen Klubchef bekäme. Der aktuelle Streit – die Hofer-Unterstützung – wird aber als der falsche Anlass gesehen. "Zuerst hat es geheißen, die ÖVP gibt keine Wahlempfehlung ab – und viele haben sich dann über Mitterlehners Bekenntnis zu VdB geärgert", formuliert einer. Ein anderer gibt zu Bedenken: "Im Klub steht es wahrscheinlich 50 zu 50 zwischen Hofer und Van der Bellen. Da waren die Aussagen Mitterlehners nicht geschickt."

Möglich wäre ein Wechsel an der Klubspitze wohl auch nur gewesen, wenn sich Mitterlehner im Vorfeld die Unterstützung der schwarzen Bünde und einiger großer Länder gesichert hätte – was er offenbar verabsäumt hat. Ein Parteikenner sagt: "Offenbar ist bei Mitterlehner wieder einmal das Häferl übergegangen. Die Vorgangsweise war dilettantisch, aber ein Stratege war Mitterlehner noch nie."

Wenig Rückhalt

Die Diskussion über Lopatkas Rolle wird jedenfalls nicht zum ersten Mal geführt. Schon vor einem halben Jahr, so erzählen es Parteiinsider, sei einmal im Raum gestanden, dass Werner Amon – ebenfalls ein Steirer – statt Lopatka die Klubspitze übernimmt. "Von der steirischen ÖVP hätte es da keine Gegenwehr gegeben." Zu einem Paukenschlag habe sich der ÖVP-Chef aber nicht durchringen können – wie auch jetzt. "Einen Dienst hat er sich damit nicht erwiesen", sagt ein Schwarzer.

Aktuell versteht man in der steirischen Landespartei zwar nicht, was Lopatka mit seinem Hofer-Outing geritten hat. Eine in der Partei geäußerte Vermutung: Lopatka könnte überzeugt sein, dass FPÖ-Kandidat Hofer gewinnt und er wolle eben "als Rechtsverbinder bei den Siegern sein".

Aber nicht nur der neuerliche Alleingang Lopatkas irritierte, auch die Reaktion Mitterlehners löste rundum in der steirischen Partei Kopfschütteln aus. "Da konnte er nicht ohne Schaden rauskommen. Immerhin hat er sich ja selbst nicht dran gehalten und eine Art Wahlempfehlung abgegeben", hieß es in der steirische Parteispitze, in der niemand offiziell Stellung nehmen wollte. "Zu verworren" sei die Situation. (Günther Oswald, Nina Weißensteiner, Walter Müller, 28.11.2016)