Bild nicht mehr verfügbar.

Justin Tipuric auf dem Weg zum zweiten walisischen Try gegen Südafrika.

Foto: reuters/naden

In den entscheidenden Momenten war Neuseeland den Franzosen doch über: Brodie Retallick (links) holt ein Lineout gegen Kevin Gourdon.

Foto: apa/afp/fife

Cardiff – Annus horibilis für Südafrikas Rugby. Am Samstag unterlagen die einst so stolzen Springboks, der zweifache Weltmeister, Wales in Cardiff 13:27. Das allein ist bereits außergewöhnlich, denn üblicher Weise gibt es für die Europäer gegen die Boks nicht viel zu holen. Vor dieser Partie hatten die Waliser von insgesamt 31 Aufeinandertreffen nur zwei für sich entscheiden können, 28 Mal siegten dagegen die Südafrikaner.

Doch heuer ist alles anders. Das berühmte Team mit der Antilope auf der Brust scheint in eine nach unten offene Abwärtsspirale geraten zu sein. Acht Niederlagen in zwölf Matches 2016 bedeuten die schwächste Bilanz der Boks in der Profi-Ära. Unter anderem gingen alle drei Partien der sogenannten Autumn Internationals verloren. Gegen England (21:37) wie befürchtet völlig chancenlos, musste man auch gegen ein wackeres, aber doch zweitklassiges Italien klein beigeben. Das 20:18 war der historische erste Triumph der Azzurri gegen Südafrika. Immer wütender werden am Kap nun die Rücktrittsforderungen an den bedrängten Teamchef Allister Coetzee.

Dieser hatte in Cardiff eine junge und unerfahrene Truppe aufgeboten, vielleicht sein letzter Versuch, doch noch irgendwie einen Umschwung herbeizuzaubern. Das gelang in keiner Weise, sein Team offenbarte erneut eklatante spielerische Limits und leistete sich einen technischen Fehler nach dem anderen. "Die guten Nachricht für die so lange leidenden Bok-Fans ist, dass die Saison jetzt endlich vorbei ist", resümierte das SA Rugby Magazine voll verzweifeltem Sarkasmus.

Dabei war man mitnichten auf einen Gegner in Hochform getroffen. Wales war nach wenig überzeugenden Erfolgen über Argentinien und Japan selbst unter Beschuss geraten. Diesmal kontrollierte man das Geschehen gegen die armseligsten Boks seit Menschengedenken über weite Strecken, hätte jedoch die Führung deutlicher gestalten müssen. Als die Südafrikaner in der Schlussphase so etwas wie Aufbäumen andeuteten, gelang den Gastgebern durch Flanker Justin Tipuric der entscheidende zweite Try (77.). Wales konnte damit erstmals seit 2002 in den traditionellen herbstlichen Vergleichsserien drei von vier Partien für sich entscheiden.

Wales vs. Südafrika in drei Minuten.
WRU Official

England baute seine Serie unter Coach Eddie Jones mit einem 27:14 gegen Argentinien in London auf zwölf Siege hintereinander auf – eine bemerkenswerte Wiedergeburt nach der so desaströs verlaufenen Heim-WM vor einem Jahr. Nachdem sein Team dabei 75 von 80 Minuten mit 14 Mann auskommen musste – Elliot Daly war bereits in der Anfangsphase nach einem gefährlichen Tackling ausgeschlossen worden – konnte auch der bekannt kritische Jones nicht umhin, ausführliches Lob zu spenden. "Unser Team war heute brillant", sagte der Australier. "Wie wir unsere Taktik angepasst haben und mit den Problemen fertig geworden sind, war enorm. Es spricht für unsere Betreuer, dass die Spieler ein Fitnesslevel erreicht haben, wie sie es in den letzten 20 Minuten gezeigt haben." Da waren die Briten bei einem Zwischenstand von 16:14 noch einmal unwiderstehlich davongezogen.

Am späten Abend kämpfte sich Neuseeland in Paris zu einem 24:19 über stark verbesserte Franzosen. Les Bleus zeigten im Match gegen den am Ende einer langen Saison etwas müde wirkenden Weltmeister zwar die spektakuläreren Aktionen, die kaltschnäuzigen All Blacks jedoch, brachten den Sieg am Ende aber über die Runden. Zwei ihrer drei Tries entsprangen Kontern nach Ballverlusten der anstürmenden Franzosen, deren mutiges und mitunter begeisterndes Offensivspiel aller Ehren wert war. Jedoch ging das Team von Trainer Guy Noves mit seinen Chancen zu verschwenderisch um, Neuseeland bleibt somit in Paris seit 1973 ungeschlagen.

Irland und Australien lieferten sich in Dublin einen Thriller, in dem die Gastgeber schließlich mit 27:24 das bessere Ende für sich hatten und die Wallabies ihre erste Niederlage der Europa-Tournee hinnehmen mussten. Ein Vergleich mit England am 3. Dezember steht noch aus. Irlands Trainer Joe Schmidt, der einige Experimente gewagt hatte, sprach von einem seiner stolzesten Tage als Coach.

Schottland und Georgien lieferten sich in Kilmarnock ein fesselndes Duell, Endstand nach insgesamt acht Tries – 43:16. Die Schotten fügten ihrem besten Länderspieljahr seit 2002 noch ein erfreuliches Schlusskapitel an, die Georgier konnten phasenweise ihre bekannte Kompaktheit im Set Piece ausspielen.

Italien, nach dem Triumph über Südafrika in der Vorwoche noch auf Wolke sieben, enttäuschte seine Fans diesmal – in Padua setzte sich Tonga 19:17 durch. (Michael Robausch, 26.11. 2016)

Zum Thema:

Wird Südafrikas Rugby durch die Politik ruiniert?