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Die Harmonie zwischen Kanzler Christian Kern und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in der"Klartext"-Diskussion war frappierend, und einer der wichtigsten Gründe dafür war die Europapolitik. Strache betonte, ebenso wie Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer, dass die FPÖ überhaupt nicht gegen die EU sei. Sie wolle bloß die Rückkehr zur ursprünglichen Vision einer Wirtschaftsgemeinschaft, von der man durch die spätere politische Integration und die damit verbundene Überregulierung abgewichen sei.

Die FPÖ sagt, sie will kein Öxit-Referendum, außer wenn die EU "noch zentralistischer" wird. Nur dann würde man das Volk befragen – und wohl zu einem Austritt aufrufen.

Diese Position erscheint auf den ersten Blick vernünftig. Aber auf den zweiten erweist sich so ziemlich alles an ihr als falsch.

Nie eine reine Wirtschaftsgemeinschaft

Die EU war nie eine reine Wirtschaftsgemeinschaft, selbst als sie noch so hieß (EWG). Bereits die Montanunion war ein politisches Projekt, die wirtschaftliche Integration ein Mittel zum Zweck. Und schon in den Römischen Verträgen von 1957 ist nicht ohne Grund von der "immer engeren Union" die Rede.

Und wann immer die Union näher zusammenrückte, tat sie dies als Antwort auf konkrete wirtschaftliche Probleme. Der Binnenmarkt wurde durch die Europäische Einheitsakte 1986 geschaffen, um die lahmende europäische Wirtschaft – damals hieß das "Eurosklerose" – in Schwung zu bringen und wettbewerbsfähig zu machen. Die USA und Japan waren damals die Herausforderer.

Der Euro ist gut für Österreich

Der Euro war die Antwort auf jahrzehntelange vergebliche Versuche, die Wechselkurse unterschiedlicher Währungen zu stabilisieren. Weil dies nie ganz möglich war – oder wenn, dann nur durch Unterwerfung aller anderen EU-Notenbanken unter die Deutsche Bundesbank –, entschied man sich für die gemeinsame Währung. Die funktioniert für einige Staaten viel schlechter als erhofft, Österreich hat vom Euro allerdings bisher nur profitiert. Die FPÖ leugnet das konsequent.

Die jüngsten Schritte zur Integration, so wie etwa der Euro-Rettungsschirm, der Fiskalpakt, und die Bankenunion mit der gemeinsamen Bankenaufsicht, waren wiederum eine Reaktion auf die Eurokrise. Nicht alles war ganz durchdacht, aber nicht zu handeln wäre schlimmer gewesen.

Der Binnenmarkt braucht Regulierungen

Auch die vielen Regulierungen, die Strache, Hofer und andere beklagen, sind eine notwendige Folge des Binnenmarktes: Wenn jedes in der EU hergestellte Produkt in Österreich zugelassen sein soll, dann will man sicher sein, dass es bestimmte Anforderungen erfüllt. Gerade die FPÖ würde am lautesten schreien, wäre das nicht der Fall.

Und auch andere Harmonisierungsschritte entspringen keiner Brüsseler Allmachtsfantasie, sondern sind Lösungsansätze für die Herausforderungen unserer Zeit – ob Klimawandel oder Flüchtlingskrise.

Darüber kann man im Detail immer diskutieren, aber der EU das Recht abzusprechen, gemeinsame politische Lösungen zu suchen, würde bedeuten, sie zur Bedeutungslosigkeit zu verdammen.

Sie wollen das Gleiche wie Farage und Le Pen

Die FPÖ-Position klingt zwar ähnlich wie manche britische Stimmen, die sich ebenfalls gegen die weitere Integration ausgesprochen haben. Aber das kann man als Insel am Rande des Kontinents viel leichter als in seinem Herzen. Und wohin die britische EU-Skepsis geführt hat, konnte man am Brexit-Referendum sehen.

In Wirklichkeit meinen Strache und Hofer das Gleiche wie Nigel Farage, Boris Johnson und Marine Le Pen: Sie wollen die EU nicht verbessern, sondern zerstören beziehungsweise sie verlassen. Aber sie sprechen es aus taktischen Gründen nicht aus. Was sie zu Europapolitik sagen, ist daher die bewusste Unwahrheit. Das hätte auch Kern auffallen können. (Eric Frey, 26.11.2016)