Groß und mächtig oder klein, aber oho?

Illustration: David Mathews

Aktien, Anleihen, Festgeld oder Gold? Anleger müssen viele Entscheidungen treffen. Doch selbst innerhalb der Assetklasse Aktien stehen grundsätzliche Entscheidungen an. Eine von ihnen geht quer über alle nationalen Aktienmärkte und Branchen und ist letztendlich essenziell für den Anlageerfolg: Soll man auf große multinationale Player setzen oder lieber auf kleinere, aufstrebende Unternehmen?

Das kommt auf die allgemeine Markterwartung an. Grundsätzlich sind kleinere Unternehmen, sogenannte Small Caps, wachstumsstärker, aber auch risikoreicher. Sie sind nicht selten relativ hoch verschuldet und zahlen tendenziell weniger Dividenden, da sie überschüssige Mittel lieber in die Expansion investieren.

Blue Chips, auch Large Caps genannt, sind hingegen meist bereits Marktführer in ihren Branchen und haben das stärkste Wachstum hinter sich. Oft stoßen sie allein schon aus kartellrechtlichen Gründen an ihre Wachstumsgrenzen. Dafür sind die großen Konzerne aber in der Regel global breit aufgestellt, weniger anfällig für zyklische Schwankungen in einzelnen Märkten und finanziell gut abgesichert.

Bessere Performance

Auf lange Sicht entwickeln sich Small Caps besser, geringere Dividenden werden durch stärkeres Wachstum mehr als kompensiert. Anleger, die beispielsweise im Jahr 2000 in den Russell 2000, einen klassischen US-Small-Cap-Index, investierten, sitzen heute auf mehr als 200 Prozent Gesamtrendite. Wer über den gleichen Zeitraum in den Global-Titans-Index investiert hat, bringt es inklusive Dividenden nur auf 34 Prozent plus. Letzterer besteht aus den größten Konzernen der Welt, wobei US-Unternehmen dominieren.

Die Überlegenheit der Small Caps gilt jedoch nicht immer und in allen Zeiträumen. Die Finanzmärkte nehmen in langen Zyklen entsprechende Rotationen vor, die dadurch ausgelöst werden, dass die Märkte in bestimmten Phasen eher bereit sind, mehr Risiken in Kauf zu nehmen, als in anderen.

In Zeiten, in denen Anleger risikobereiter sind, zeigen die risikoreicheren Small Caps die bessere Performance. Umgekehrt steigt die Nachfrage nach Blue Chips, wenn Anleger Risiko meiden. Wenig überraschend haben Small Caps in Zeiten zyklischer Wachstumsverbesserung höhere Chancen auf eine Outperformance als Blue Chips.

Regelmäßiger Zyklus

Tatsächlich bewegt sich die relative Performance von Small und Large Caps seit Jahrzehnten in regelmäßigen Zyklen. Large Caps hatten in den Jahren 1968 und 1999 ihre Höhepunkte und 1983, also genau in der Mitte, ihr Tief. So gesehen ist es längst Zeit für einen nachhaltigen Trend in Richtung Blue Chips. Schließlich sind Small Caps seit 1999 wieder besser gelaufen.

Tatsächlich zeichnete sich eine Wachablöse bereits ab. Im Jahr 2014, pünktlich nach 15 Jahren, hat der Global-Titans-Index den Russell 2000 geschlagen – mit einer Gesamtrendite von 5,5 zu 4,9 Prozent. Der Dow Jones, ebenfalls ein klassischer Blue-Chip-Index, brachte es inklusive Dividenden gar auf zehn Prozent plus. Auch im insgesamt schwierigen Börsenjahr 2015 hatten die Big Player – ganz der eingangs erläuterten Logik entsprechend – die Nase vorn. Mit Dividenden schafften es der Titans-Index wie auch der Dow Jones immerhin minimal ins Plus, der Russell blieb mit mehr als vier Prozent deutlich negativ.

Experten glauben, dass das erst der Beginn eines neuen Trends war, und sehen Blue Chips weiterhin im Vorteil. "Large Caps tendieren dazu, gegen Ende eines Zyklus outzuperformen. Und da wir nun schon seit dem Jahr 2009 einen Bullenmarkt haben, glauben wir, dass wir uns nun eher im fortgeschrittenen Stadium befinden", erklärt Alec Murray, Portfolio-Manager von Pioneer Investments in Boston.

Umgekehrt würden Small Caps vor allem dann gut laufen, wenn die Leitzinsen sinken und ein konjunktureller Aufschwung beginnt. Nach Murrays Einschätzung sind kleinere Titel in den USA auch schon teuer. Außerdem würden sich die Unsicherheitsfaktoren häufen – von (geo)politischen Turbulenzen über eine fragile Weltkonjunktur bis hin zur Notenbankpolitik. "Da greifen Investoren tendenziell lieber zu den stabileren Large Caps."

Zerreißprobe nach Trumps Sieg

Nach den US-Präsidentschaftswahlen mit dem überraschenden Sieg von Donald Trump stehen solch historische Kursmuster allerdings vor einer Zerreißprobe. Denn eine von Trump propagierte Isolationspolitik wäre vor allem für multinationale Konzerne nachteilig und könnte kleineren, regionalen Playern in den USA in die Hände spielen (siehe auch Wall Street in Rekordlaune). Dies, zumal Trump ja Investitionen in die heimische Wirtschaft angekündigt hat.

Tatsächlich haben sich Small Caps an der Börse bereits wieder zurückgemeldet: Nach der Wahlentscheidung hat der Russell 2000 eine regelrechte Kursrallye erlebt. Der Small-Cap-Index bringt es auf einen Gesamtertrag im zweistelligen Prozentbereich, der Titans-Index lag zu Redaktionsschluss indes bei rund sieben Prozent.

Und in Deutschland sind die Small- und Mid-Cap-Indizes SDax und MDax dem Dax sowieso weiter voraus. In den Jahren 2014 und 2015 zusammen hat der SDax 34 Prozent lukriert, der Dax dagegen nur zwölf Prozent. Seit 1999 schlagen im SDax 245 Prozent plus zu Buche, im MDax gar 450 Prozent. Dem stehen 110 Prozent Rendite des Leitindex Dax gegenüber.

Interessanterweise sind die Bewertungen von Aktien aktuell zwar generell schon relativ stolz, jene der kleineren Unternehmen insgesamt aber gar nicht überproportional hoch. Der SDax ist hier mit einem aktuellen Kurs-Gewinn-Verhältnis von rund 40 eine Ausnahme. MDax wie auch Russell 2000 notieren indes unter dem 20-fachen Jahresgewinn der Unternehmen und sind damit sogar leicht günstiger als ihre großen Brüder im Dax und Titans-Index, für die sich auf Index-Ebene Werte von jeweils rund 20 errechnen.

Das höhere Risiko der Small Caps spricht dennoch für Blue Chips – jedenfalls für all jene, die dem Frieden an den Märkten nicht trauen. Dies, zumal das Jahr 2017 für Börsianer durchaus schwierig werden könnte. Das legt auch der Dekadenzyklus nahe: Der Aktienmarkt scheint demnach einem Zehn-Jahres-Zyklus zu folgen, wobei die Börsen in der zweiten Dekadenhälfte zwar dazu tendieren, stärker zu steigen, ausgerechnet in den 7er-Jahren gab es aber häufig Einbrüche.

Der Trump-Effekt

Last but not least kommen Statistiker nun auf den neuen US-Präsidenten zu sprechen, jedoch unabhängig von der Person Trump. Der Präsidentschaftszyklus in den USA lässt heuer zwar noch eine Jahresenderallye wahrscheinlich erscheinen, zu Beginn des Jahres 2017 dürfte es an den Börsen aber ruppig werden: Ein durchschnittliches Nachwahljahr bringt zunächst Kursrückgänge und bleibt – nach einer Erholung im Sommer – auch in weiterer Folge eher schwierig.

Hinter dieser auf 116 Jahren Erfahrung beruhender Statistik steckt eine fundamentale Logik: Ein neu gewählter Präsident nutzt die ersten Jahre der Amtszeit, um unpopuläre Entscheidungen wie Ausgabenkürzungen durchzusetzen, was an der Börse nicht gut ankommt (das Zwischenwahljahr ist traditionell sogar besonders schwierig).

In der Zeit vor den Wahlen will sich der Präsident bei den Wählern beliebt machen und versucht die Wirtschaft anzukurbeln. Prompt sind die Jahre drei und vier der Amtszeit aus Sicht der Börse besser. Die Frage ist, inwieweit ein Präsident Trump dieser Logik entspricht. Der Quereinsteiger macht auch die Börsen unberechenbar. (Hans-Jörg Bruckberger, Portfolio, 6.12.2016)