Die osttürkische Stadt Sirnak wurde während einer achtmonatigen Ausgangssperre zu einem großen Teil dem Erdboden gleichgemacht.

Foto: APA/AFP/Akengin

Zerschossene Gebäude in Diyarbakir.

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Wien – Österreich wird als erstes Land ein Waffenembargo gegen die Türkei verhängen. Einen entsprechenden gemeinsamen Sechs-Parteien-Entschließungsantrag präsentierten SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne, Neos und Team Stronach am Donnerstag im Parlament. Darin wird die Regierung aufgefordert, Exportgenehmigungen für Waffen in die Türkei zu verweigern. Gleichzeitig wird die EU aufgefordert, "geeignete Maßnahmen" gegen die Türkei vorzubereiten, um die Demokratie und den Rechtsstaat in der Türkei zu verteidigen. Am Abend wird über den Antrag abgestimmt.

In der Türkei würden, besonders seit dem Putschversuch im Sommer, unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung massenhaft Journalisten, Intellektuelle, Beamte und Oppositionelle verhaftet, führen die Abgeordneten als Begründung in ihrem Antrag an. Zehntausende Staatsbedienstete wurden entlassen, Bürgermeister kurdischer Gemeinden abgesetzt. Die Türkei gehe auf eigenem Territorium militärisch gegen die Zivilbevölkerung vor und sei in Syrien und dem Irak in den Konflikt involviert. Die Politik der Regierung lasse eine baldige Einführung der Todesstrafe befürchten.

Unter diesen Umständen dürfte Österreich keinerlei Kriegsmaterial, Verteidigungsgüter, Waffen oder Dual-Use-Güter in die Türkei liefern. Dual-Use-Güter sind Produkte, die sowohl zu zivilen als auch zu militärischen Zwecken eingesetzt werden können. Insbesondere sind davon neben Kriegsmaterial im engeren Sinne alle für polizeiliche und militärische Zwecke verwendete Schusswaffen wie Scharfschützengewehre und Pistolen sowie Technologie, Chemikalien und weitere Güter betroffen.

Neutralität und Kriegsmaterialgesetz schließen Export aus

Die Neutralität Österreichs und die Bestimmungen im Kriegsmaterialgesetz und im Außenwirtschaftsgesetz schließen Exportgenehmigungen in jene Zielländer aus, in denen ein bewaffneter Konflikt herrscht oder auch nur auszubrechen droht. Dasselbe gilt, wenn die Menschenrechte bedroht oder verletzt werden. All dies gelte für die Türkei in ihrem derzeitigen Zustand, schreiben die Abgeordneten in dem Antrag.

Da auf europäischer wie auf internationaler Ebene noch keine wirksamen Sanktionen bestehen, müssten daher die zuständigen Ministerien diese Umstände bei Anträgen auf Exportgenehmigungen berücksichtigen.

Lopatka: Österreichs Kurs bestätigt

SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder betonte bei einer Pressekonferenz im Parlament die Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, dass österreichische Waffen nicht in Konflikten wie in der Türkei eingesetzt werden können. Es gehe nicht nur um die Frage der Freiheit und der Menschenrechte in der Türkei. Sein Amtskollege bei der ÖVP, Klubobmann Reinhold Lopatka, sah den österreichischen Kurs gegenüber der Türkei durch den ebenfalls am Donnerstag vom Europaparlament gefassten Beschluss nach der Forderung eines Einfrierens der Beitrittsverhandlungen bestätigt. Es sei notwendig, wenn sich ein Land von Grund- und Freiheitsrechten abwende, wie dies in der Türkei der Fall sei

Zwischen Volk und Regime unterscheiden

Der Grüne Abgeordnete Peter Pilz stellte fest, dass dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan politische Sanktionen "wurscht sind", während wirtschaftliche Sanktionen Wirkung zeigen würden. Wegen eines Embargos aus Österreich werden die Türkei nicht einlenken, wichtig sei das klare Signal, dass man gemeinsam versuchen müsse, Waffenexporte in Kriegsgebiete zu verhindern. Dass die Fraktionen im österreichischen Parlament in dieser Frage geschlossen auftreten, werde international wahrgenommen. Ähnlich sieht das auch FPÖ-Abgeordneter Walter Rosenkranz, für den der gemeinsame Antrag der "Ausdruck eines selbstbewussten Parlaments" ist.

Pilz dankte ausdrücklich Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, der klar gesagt hätte, dass bei einem entsprechenden Beschluss des Nationalrates die Umsetzung eines Embargos eine Selbstverständlichkeit wäre. Der Neos-Abgeordnete Matthias Strolz sieht ein Waffenembargo als klare Botschaft an Erdogans Regierung. Die Politik müsse klar zwischen Volk und Regime unterscheiden. Die liberalen Kräfte in der Türkei müssten unterstützt werden, denn Widerstand zeige Wirkung, wie man am Beispiel der zurückgezogenen Missbrauchsgesetzes sehen könne.

Hoffnung auf Ansteckung

Für Robert Lugar vom Team Stronach geht es vor allem um ein Signal, sich nicht mitschuldig zu machen. Die Türkei steht vor einer Weichenstellung zwischen Demokratie und dem abgleiten in eine Diktatur oder einen Gottesstaat. Da die Türkei auch im Krieg in Syrien involviert ist, betreffe das Thema auch die Kriegsparteien dort.

Ebenfalls auf eine Signalwirkung an die EU-Partnerstaaten setzt Pilz: "Ich hoffe, dass wir ansteckend sind", rechnet er mit ähnlichen Reaktionen in weiteren europäischen Ländern. Auch für Lopatka geht es bei dem Antrag nicht um den Umfang von Waffenlieferungen. Auf direktem Weg tendieren diese gegen Null, ein Problem sei der Umgehungshandel, sagt Pilz. So sind zuletzt mehr als 600 Scharfschützengewehre aus heimischer Produktion über eine deutsch-türkische Firma in den Hände einer türkischen Polizeispezialeinheit gelangt. Solche Geschäfte sollen künftig unterbunden werden. (Michael Vosatka, 24.11.2016)