Sebastian Kurz: "In Zeiten wie diesen sind große Reformen leider nicht möglich. Daher müssen wir die kleinen Erfolge suchen."

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Wien – Auch wenn sie momentan fast nur geprügelt wird: Die EU hat nach wie vor ihre glühenden Fans, und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) ist einer von ihnen. "Die EU ist für mich und meine ganze Generation die österreichische Normalität, die keiner in Frage stellt", versicherte der 30-Jährige am Mittwochabend bei einer Diskussionsveranstaltung anlässlich des 25. Geburtstags der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE) in der Diplomatischen Akademie in Wien.

Für ihn gehe es daher in den kritischen Diskussionen um die EU niemals darum, ob es "weniger EU" oder "mehr EU" oder "gar keine EU" geben soll, sondern ganz einfach und pragmatisch darum, wie die EU effizienter gestaltet werden kann. Da liege Manches im Argen, doch von Öxit – einem österreichischen Austritt aus der EU – könne nicht die Rede sein. "Das ist höchstens eine theoretische Debatte. Eine Nichtmitgliedschaft ist tatsächlich undenkbar", so Kurz.

Aufgabe: Sicherung der Außengrenze

"In Zeiten wie diesen, in denen die EU durch Flüchtlingskrise und Brexit fast paralysiert ist, sind große Reformen leider nicht möglich. Daher müssen wir die kleinen Erfolge suchen, um die Europäische Union wieder zu stärken", sagte Kurz. "Wir brauchen den gemeinsamen Erfolg, um wieder alle an Europa glauben zu können." Was ein solcher Erfolg sein könnte? "Die gemeinsame und effiziente Sicherung der Außengrenze. Das ist tatsächlich machbar."

Der Außenminister will sich auch nicht jenen anschließen, die von einem Zerbrechen der EU warnen. In allen Problembereichen – ob Ukraine, Syrien, Flüchtlinge, Brexit oder USA nach der Wahl Donald Trumps – sei es wichtig, offen und ehrlich zu diskutieren. "Die Gefahr entsteht dort, wo der Deckel draufgehalten und nicht geredet wird. Dort kommt es irgendwann zur Explosion", erklärte Kurz unter Verweis auf die Konfliktthemen Ceta und TTIP.

"Trump an den Taten messen"

Auch der Wahlsieg Trumps bereitet dem Außenminister vorerst noch keine Kopfschmerzen. "Wir sollten ihn nach seinen Taten beurteilen und messen und nicht vergessen, dass ein US-Präsident zwar sehr mächtig, aber auch kein Alleinherrscher ist. Auch Herr Trump muss sich arrangieren."

Nicht einmal die nächste wichtige Weichenstellung in Europa – die französische Präsidentenwahl im Frühjahr 2017 – beunruhigt den Außenminister: Nein, er fürchte die Diskussion mit der Rechtspolitikerin Marine Le Pen nicht. "Außerdem wird sie die Wahl ohnehin nicht gewinnen", fügte er unter großem Applaus des Publikums hinzu.

"Ja, aber ich werde es Ihnen nicht sagen"

Auf seinen eigenen Stimmzettel zur Bundespräsidentenwahl am 4. Dezember ließ sich Kurz indes nicht schauen. Auf die Frage von Moderator und STANDARD-EU-Korrespondent Thomas Mayer, ob Kurz denn schon wisse, ob er Alexander Van der Bellen oder Norbert Hofer wählen werde, sagte er: "Ja, natürlich. Aber ich werde es Ihnen nicht sagen." Na ja, fragen wird man ja wohl noch dürfen – und ohnehin schien kaum jemand im Saal einen Zweifel zu haben, wo das Kreuz platziert werden wird. (gian, 23.11.2016)