Das zunehmend persönliche Duell der französischen Konservativen Alain Juppé und François Fillon offenbart nicht zuletzt den tiefen Richtungsstreit zwischen einer gemäßigten und einer orthodoxen Rechten. Dahinter steckt die Frage, wie den Machtgelüsten der Rechtspopulistin Marine Le Pen am ehesten beizukommen sei. Juppé glaubt, dass nur ein breiter Mitte-rechts-Bund dazu fähig ist. Fillon sagt, je "rechter" die Konservativen aufträten, desto mehr Stimmen nähmen sie Le Pen weg.

Was beide übersehen: Mit ihrer Bruderfehde schaden sie sich gegenseitig. Juppés Vorwurf, Fillon lasse sich auch von Rechtsextremen unterstützen, würde diesen in der präsidialen Stichwahl gegen Le Pen viele Linksstimmen kosten. Und Fillons Kritik am "weichen" Kurs Juppés könnte klassische Bürgerliche in die Arme Le Pens treiben.

Der scharfe, ja, gehässige Streit vermittelt Linken und Liberalen plötzlich wieder Hoffnung auf die Präsidentschaft. Wird am Sonntag der wertkonservative Fillon zum bürgerlichen Spitzenkandidaten gekürt, öffnet sich in der politischen Mitte unerwartet neuer Raum – für sozialliberale Kandidaten wie François Bayrou, Emmanuel Macron und Manuel Valls. Oder sogar für François Hollande, der seine Pläne Mitte Dezember bekanntgeben will.

Fillons erstaunlicher Blitzstart hat die französische Politik durcheinandergerüttelt. Die Präsidentschaftswahl ist offener denn je. (Stefan Brändle, 23.11.2016)