Manchmal genügt einer Millionärin auch nur ein Mann zum Anlehnen: Momente innerlichster Ergriffenheit für Meryl Streep und Hugh Grant in "Florence Foster Jenkins".

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Wien – Was tun, wenn man sich beispielsweise für Musik oder Schauspiel begeistert, jedoch über kein nennenswertes Talent verfügt? Man kann Kritiker werden, aufgeben und sich ein anderes Betätigungsfeld suchen oder alle Stimmen der Vernunft ignorieren und es immer wieder mit vollem Einsatz probieren. Florence Foster Jenkins, die Heldin von Stephen Frears' gleichnamiger Filmbiografie, entschied sich für die dritte Variante – und ging so als die schlechteste Sängerin aller Zeiten in die Geschichtsbücher ein.

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Das Leben der Exzentrikerin bietet genug Stoff für eine Nacherzählung, die Liste der Hommagen ist – der menschlichen Freude an Superlativen sei es gedankt – lang. Obzwar in jungen Jahren als Wunderkind gefeiert, untersagte ihr wohlhabender Vater eine künstlerische Ausbildung. Nachdem sie ihr erster Mann in der Hochzeitsnacht mit Syphilis angesteckt hatte, sollen die folgenden Behandlungen mit Quecksilber und Arsen ihr Übriges getan haben, um eine Karriere als Musikerin zu verunmöglichen. Mit dem Erbe ihres Vaters auf dem Bankkonto widmete sie sich fortan dem Mäzenatentum, wurde zugleich aber auch zur gefragten Performerin im New York der 1920er- bis 1940er-Jahre. Bei ihrem letzten, ausverkauften Auftritt lockte ihr schräger, in ebensolchen Kostümen vorgetragener Gesang 1944 auch Prominenz wie Cole Porter in die legendäre Carnegie Hall.

Frears und Autor Nicholas Martin konzentrieren sich auf jenes letzte Lebensjahr von Foster Jenkins (Meryl Streep), in dem es die Sängerin, zumindest dem Drehbuch zufolge, noch einmal wissen will. Unterstützung erfährt sie dabei von ihrem zweiten Lebenspartner, dem ein kleines Eck jüngeren St. Clair Bayfield (Hugh Grant), ihrem frisch gefangenen Konzertpianisten Cosmé McMoon (Simon Helberg) – und von so ziemlich jedem, der entweder taub oder für eine kleine Spende empfänglich ist. Inwieweit Foster Jenkins ihre gesanglichen Mängel realisiert, ist für Frears nebensächlich, auch ihre durchaus tragische Vorgeschichte lässt er nur in wenigen wertvollen Momenten aufblitzen. Sein Film will im einfachsten und besten Sinn unterhalten: mit üppiger Ausstattung, einem perfekten Ensemble und schiefem Gesang.

Kiekser zum Quadrat

Über Meryl Streep scheint ohnedies bereits alles gesagt. Wenn sie hier nun einer mit allerhand Glitzerkram behängten Pute gleichend die höchsten Töne aus ihrer ausgepolsterten Leibesmitte presst, ist das einfach umwerfend komisch. Zugleich lässt Frears ihr aber Momente innerlichster Ergriffenheit, wenn sich als Ausdruck ihrer tief empfunden Liebe zur Musik ein, zwei Tränen in ihr Auge zwängen. Streeps Florence ist keine verrückte Millionärin, sondern eine leidenschaftliche Großmutter, die man mehr mögen als hinterfragen soll.

Bayfield, der unermüdliche Unterstützer, der nachts jedoch zu seiner Geliebten schlüpft, wird so zur interessanteren Figur. Als talentierter, aber nicht herausragender Schauspieler entschied er sich für einen anderen Weg als jenen mit der Frau an seiner Seite und widmete sich fortan mit britischer Disziplin ihrem Wohlergehen. Hugh Grant, der Dackelblick in Menschengestalt, zeigt, dass man es auch in den oft geringgeschätzten romantischen Komödien zu einer Meisterschaft bringen kann. Da sitzt jedes Zwinkern wie des Kanzlers neuer Brioni-Anzug.

Erheiternde WIrkung schlechten Gesangs

Nicht minder großartig ist Simon Helberg, bekannt aus der US-Sitcom The Big Bang Theory, in der Rolle des dauernervösen, um seine seriöse Karriere fürchtenden Cosmé McMoon. Als fähiger Pianist kann er nicht nur den tonalen Irrwegen von Streeps Kieksern folgen, sein Mienenspiel, eine beständige Mischung aus Belustigung und Entsetzen, potenziert zudem ihre Komik zum Quadrat.

Mit diesen drei Figuren skizziert Frears unterschiedliche Zugänge zur Kunst (Kritiker gibt es auch, sie sind bestechlich oder arrogant), primär setzt Florence Foster Jenkins jedoch einfach auf die erheiternde Wirkung des schlechten Gesangs. Und tatsächlich reicht manchmal ein falscher Ton zur rechten Zeit. (Dorian Waller, 24.11.2016)