Sportswear meets Korsett: Die Musikerin Rihanna macht jetzt auf Mode, und zwar für Puma. Hier bei der Präsentation.

Foto: Puma

Robyn Rihanna Fenty, die 28-jährige Popsängerin aus Barbados, ist nicht gerade bekannt dafür, dass sie es allen recht machen möchte. Ein Weinglas in der Hand ist ihr Lieblingsaccessoire, dem Kiffen ist sie nicht abgeneigt, und auch sonst wirkt sie, als ob sie auf einem eigenen Planeten leben würde. Rihanna ist die Kate Moss der Musikindustrie: Dem Partygirl ist alles scheißegal. Kritiker Jens Balzer schreibt in seinem hervorragenden Buch "Pop – ein Panorama der Gegenwart" (Rowohlt), man staune über den "arbeitsverweigernden Minimalismus der Diva, die sich für alles, aber auch wirklich alles zu schade ist". Es müsse doch reichen, dass sie überhaupt da sei.

Tut es ja auch. Zumindest im Fall des deutschen Sportlabels Puma, das sich seit 2013 zu 86 Prozent im Besitz des französischen Modekonzerns Kering befindet, und Rihanna 2014 zum Erstaunen vieler zum "Creative Director" machte. Kürzlich präsentierte sie ihre Fenty-x-Puma-Kollektion sogar auf der ehrwürdigen Pariser Fashion Week: Ihre rosa-grünen Outfits sind eine Mischung aus gerade angesagter Sportswear und Korsetts, die an die höfische Kleidung des 18. Jahrhunderts erinnern sollen.

"Was wäre, wenn Marie Antoinette ins Fitnesscenter gegangen wäre", verriet Rihanna Backstage ihre Inspiration – und war für ihre Verhältnisse erstaunlich gut gelaunt. Sie scheint sich in der neuen Position als Modemacherin wohlzufühlen. Dass es nicht mehr als eine Rolle ist, ist wohl jedem klar. Rihanna wird beim Designern sicher keinen Finger gerührt haben: Wozu hat man schließlich Untergebene. Aber, hey, es ist Rihanna, sie ist da, sie sieht super aus, und sie ist ein Star!

Und die Mode? Sonderlich neu ist hier nichts, Puma remixt die angesagten Silhouetten von innovativen Labels wie Hood By Air oder Nasir Maszhar, macht sie bunter und kommerzieller. Keine Frage, die Fenty-Kollektion wird sich, wie die Creeper-Sneakers, die bereits von Rihanna aus dem Markt sind, bestens verkaufen.

Die Wechselwirkung, die wir gerade beobachten, ist famos: Die einst elitäre High Fashion ist besessen von stinknormaler Streetwear – Hoodies, Sneakers und Baseballcaps gehen weg wie die warmen Semmeln. Warum also sollte sich Streetwear nicht auch wie High Fashion inszenieren? In luxuriösem Rahmen – Rihanna wählte für ihre Show das prunkvolle Hôtel Salomon de Rothschild – zeitlich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Traditionslabels wie Balenciaga, Marni oder Valentino. High und Low tauschen gerade die Rollen, im Ende profitieren beide davon.

Celebrities als Produkte

"Wenn zwei Marken aufeinandertreffen, dann potenzieren sie sich", analysiert Elke Gaugele, Professorin für Moden und Styles an der Akademie der bildenden Künste Wien, ein Businessgesetz unserer Tage: "Celebrities sind Produkte innerhalb der ästhetischen Ökonomie, Kooperationen steigern ihren Wert." Das englische Wirtschaftsmagazin "Forbes" listet jährlich die bestbezahlten Stars auf. Rihanna liegt in der Celebrity-Liste heuer auf Platz 13, ihr Marktwert beträgt satte 75 Millionen US-Dollar.

Kein Wunder also, dass dauernd jeder mit jedem kooperiert, und die Grenzen zwischen Mode und Pop zunehmend verschwimmen. Teenie-Idol Justin Bieber – bei "Forbes" immerhin auf Platz 26 – verkauft sein aktuelles Purpose-Tour-Merchandising in angesagten Concept-Stores rund um den Globus, in Fashion-Kreisen ist es nämlich schick, mit einem Bieber-Shirt herumzulaufen. Und stimmt ja auch, rein optisch unterscheiden sich Rihanna- und Bieber-Tour-Shirts nicht wirklich von jenen des französischen Hype-Labels Vetements, das ebenfalls auf Metal-Ästhetik setzt, aber für seine It-Shirts schon mal mehrere Hundert Euros berappt.

Es ist eine große, allumfassende Pop-Blase, in der wir leben, kommerziell vorangetrieben, seitdem Sängerinnen und Sänger nicht mehr im Verkauf von Platten ihre sichere Haupteinnahmequelle finden, sondern über Konzerte, Merchandising und mediale Präsenz an ihrer "Marke" arbeiten müssen.

Ob man Kanye West, den größenwahnsinnigen US-Rapper und Mann der amtierenden Internet-Königin Kim Kardashian, und seine minimalistischen Yeezy-Kollektionen nun mag oder nicht, man kommt nicht herum, ihn als Zukunftsmodell zu akzeptieren (siehe auch Das K-Team). Ohne Hype geht in der Mode gar nichts mehr. Popstars sind Influencer, Catwalks entwickeln sich immer mehr zu Events, einer Mischung aus Konzert, Kunstinstallation und Celebrity-Auflauf. Das "See now, buy now"-Prinzip verstärkt den Druck, eine prägnante Show abzuliefern, die auf Instagram markant wirkt.

Schöne Kleider reichen schon lange nicht mehr, um in der Fashion-Industrie erfolgreich zu sein. Die Inszenierung rundherum ist mindestens genauso wichtig. "Andy Warhol, der ja als Illustrator für Mode- und Lifestylemagazine begann, gab Ende der 1950er-Jahre eine Initialzündung für diesen Trend der Verflechtung von Mode und Kunst in der Kreativindustrie", erklärt Gaugele. "Er ließ sich und seine Factory von dem Fashion-Fotografen Richard Avedon in Szene setzen. In den 1990er-Jahren wurden Supermodels wie Naomi Campbell zu Celebrities, die über das Modebusiness hinaus strahlten."

Jeder möchte im Moment Mode sein: Waren Rockstars früher Götter, ist der Fashiondesigner in den letzten Jahren eine Art Über-DJ geworden, der den aktuellen Zeitgeist dirigiert, alte Stile remixt, möglichst überraschend neu zusammenbaut, er gibt vor, wie wir ausschauen und leben sollen. Wichtiger als die konkreten Kleider ist das Image: Wofür steht ein Label? Welches Lebensgefühl verkörpert es? Man möchte als Konsumentin schließlich zu einer coolen Mode-Gang gehören: Als windschiefes Vetements-Girl sagt man "fuck you", aber lässt großkotzig raushängen, dass man sich eine 1000-Euro-Jeans locker leisten kann.

Teil einer Bewegung

Rebellion und Kommerz gehen dabei mitunter abstruse Kombinationen ein. Wofür früher die Popmusik zuständig war, nämlich dem Erzeugen einer eingeschworenen Fangemeinschaft, die sich über Musik und Mode gleichermaßen definiert, ist jetzt, wo es keine echten Subkulturen mehr gibt, die Fashion allein zuständig, ein distinktives Wir-Gefühl zu erzeugen. Anders gesagt: Früher wollte man Teil einer Jugendbewegung sein, heute möchte man bloß aussehen, als ob man Teil einer Jugendbewegung wäre.

Noch in den 1950er-Jahren waren die meisten Designer unscheinbare Männer in grauen Anzügen, nicht sonderlich glamourös, oft durchaus öffentlichkeitsscheu. Auch das hat sich grundlegend verändert, Modemacher inszenieren sich heute als Popstars. Sie müssen werbewirksam ihre eigene Marke promoten, das hat Balmain-Frontmann Olivier Rousteing auf Instagram eindringlich vorgemacht. Dabei reicht es nicht, sein schönes, gern auch schönheitsoperiertes Gesicht in die Kamera zu halten. Man kennt die Sixpacks von Nicola Formichetti (Diesel), Bernhard Willhelm und Rousteing, bevorzugt inszenieren sich Modemacher im Fitness-Studio beim Workout oder am Pool beim Abhängen mit anderen Celebrities.

Der junge Yves Saint Laurent war also durchaus prophetisch mit seinem provokanten Nacktfoto, mit dem er 1971 für ein Parfum, aber noch mehr für sich als hippe Marke, die verstärkt junge Leute ansprechen sollte, warb. Heutzutage dominieren in der Fashion-Werbung Pop-Ikonen: Marc Jacobs hievte nicht nur Sonic-Youth-Musiklegende Kim Gordon auf seine Plakate, sondern ermöglichte auch Lady Gaga, die gerade Anlauf für ein Comeback nimmt, ihr Laufstegdebüt.

Trotz flächendeckender Promi-Dichte in der Mode, die auffälligste Ad hatte diesen Sommer das französische Label Courrèges aufzuweisen. Auf weißem Hintergrund stand mit schwarzen Lettern: "jacket", "dress" oder "skirt". Ohne Bilder, ohne bekannte Gesichter. Da wird man wieder neugierig, auf das, warum es in der Mode gehen sollte, nämlich: Jacken, Kleider und Röcke. (Karin Cerny, RONDO, 25.11.2016)